Dokumentarfilm Zwischen Heiterkeit und Todeskult

Köln · Rüdiger Suchsland über seinen Dokumentarfilm „Hitlers Hollywood - Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945“. „Manche dieser Filme wissen und zeigen viel mehr, als sie wahrhaben wollen“, sagt er.

 Ilse Werner in einer Szene aus dem Film "Große Freiheit Nr.7"

Ilse Werner in einer Szene aus dem Film "Große Freiheit Nr.7"

Foto: Verleih

Die Filme sind besser als ihr Ruf“, sagt der Regisseur. Das mag bei „Hitlers Hollywood“ überraschen, doch Rüdiger Suchslands Dokumentarfilm über „Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945“ (Untertitel) wagt sich auf kaum erforschtes Terrain. Nicht um Joseph Goebbels als Großintendanten des Nazi-Staatskinos zu entlasten. Der erotisch aufgeladene Jugendwahn in „Hitlerjunge Quex“ wird ebenso entlarvt wie Leni Riefenstahls Politikverklärung in „Triumph des Willens“.

Doch für den studierten Historiker und gelernten Filmkritiker Suchsland funktioniert Kino als unbewusster Seismograf seiner Zeit. „Manche dieser Filme wissen und zeigen viel mehr, als sie wahrhaben wollen.“ Zum Thema kam der Autor und Regisseur über sein Vorgängerwerk „Von Caligari zu Hitler“, aber auch durch jene Filme, die er in den 70er und 80er Jahren bei seiner Großmutter im Fernsehen sah.

Die Filme wurden immer wahnsinniger

Mit geschultem Blick stellt er nun fest, dass sich die Filme im Laufe des Kriegs verändern, dass sie nicht nur lauter, sondern auch immer wahnsinniger werden“. Von den mehr als 1000 Produktionen des Dritten Reichs waren die Hälfte Komödien und Revuefilme – Fluchthelfer aus der bitteren Realität, gern mit Marika Rökk als „Pirouettenbrummkreisel“.

Heroischen Todeskult sieht er etwa im U-Boot-Opus „Morgenrot“ oder Karl Ritters „Stukas“. Letzterer zählt zu jenen „Vorbehaltsfilmen“, die heute nur unter strengen Auflagen vorgeführt werden dürfen. Andere Werke trauten sich etwas wie „Titanic“ von 1943. Zwar wurde die Schiffskatastrophe den Briten angelastet, doch wegen der defätistischen Untergangsvision ließ Goebbels das Werk nur im Ausland zeigen.

„Hitlers Hollywood“ wirkt im essayistischen Text wie in der Fülle der Filmausschnitte erhellend. Da sieht man Hans Albers als Filou, freilich auch als sehnsüchtig-versoffenen Seemann in „Große Freiheit Nr. 7“. Allein die „La Paloma“-Zeile „einmal wird es vorbei sein“ reichte schon fürs Zensurverdikt. In diesem Melodram faszinierte auch die schöne Ilse Werner, der allein der Einspruch ihres Vaters einen MGM-Vertrag in Hollywood verbaute.

Überhaupt gab es ja nicht nur Blondinen wie „Reichswasserleiche“ Kristina Söderbaum („Opfergang“), sondern die exotischere Zarah Leander, die in „La Habanera“ mit Ferdinand Marian unglücklich wird. Der „eleganteste Wilde des deutschen Films jener Jahre“ avancierte in Veit Harlans „Jud Süß“ zum berüchtigtsten Mimen, bekam nach 1945 Berufsverbot und starb ein Jahr später bei einem ungeklärten Autounfall.

Ähnlich perfide: Eduard von Borsodys „Wunschkonzert“, der Szenen aus Riefenstahls Olympia-Film mit Wochenschauaufnahmen und der fiktiven Handlung vermischt. „Da wird Tagespolitik in Gefühlswatte verpackt.“ Ein bizarrer Zwitter ist Wolfgang Liebeneiners „Großstadtmelodie“. Hilde Krahl macht als junge Frau vom Land im noch unzerstörten Berlin als Fotografin Karriere, „es gibt tolle Aufnahmen vom Sechstagerennen oder von der Avus“. Der Film schlägt sich 1943 auch ob der Abwesenheit der toten, gefangenen oder kämpfenden Männer auf die Seite der modernen Frau, „doch in den letzten zehn Minuten kippt das Ganze, und man sieht die von Goebbels verlangte Stadt der Hakenkreuze“. Und der damals nobelste Regisseur? „Helmut Käutner, der zwar mit ,Auf Wiedersehen, Franziska‘ einen Propagandafilm gemacht, sonst aber immer Distanz gehalten hat.“ Sowohl „Unter den Brücken“ wie „Große Freiheit Nr. 7“ wurden verboten, und auch „Romanze in Moll“ durfte zunächst nur im Ausland gezeigt werden. Von dort wurde er derart intensiv empfohlen, dass das deutsche Publikum die Aufführung erzwang.

Eins ist nach Suchslands Werk klar: Offene Regimekritik war im Kino der Nazizeit unmöglich. Aber „Hitlers Hollywood“ litt eben auch nicht unter ästhetischer Amerika-Hörigkeit. Heute fragt sich der Regisseur, „warum wir Revuefilme wie die mit Marika Rökk nicht mehr selbst drehen, sondern ,La La Land‘ importieren?“

Zum Bundesstart am Donnerstag läuft der Film in NRW zunächst in Aachen, Düsseldorf und Essen, spätere Termine für Köln und Bonn möglich.

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