400. Todestag von Cervantes Windmühlen und Weltliteratur

Spanien im Cervantes-Fieber: Vor 400 Jahren starb der Schöpfer von Don Quijote und Sancho Panza. Die Abenteuer des wacker-tollpatschigen Ritters wurden zu Comics, Kindergeschichten, Theaterstücken, Kinofilmen und TV-Serien verarbeitet.

 Das Gemälde „Don Quijote erklärt sich seiner angebeteten Dulcinea“ (1858) von Adolph Schroedter.

Das Gemälde „Don Quijote erklärt sich seiner angebeteten Dulcinea“ (1858) von Adolph Schroedter.

Foto: epd

In vielen spanischen Haushalten steht „Don Quijote“, der berühmteste Roman der Nation, der die ganze Welt eroberte, im Bücherregal. Aber nur wenige Spanier haben das dicke Werk, in dem auf tausend Seiten die Geschichte eines sympathischen, aber ziemlich durchgedrehten Ritters erzählt wird, auch wirklich bis zum Ende gelesen. Eine ernüchternde Erkenntnis, mit der das staatliche Meinungsforschungsinstitut CIS aber Spaniens Cervantes-Fieber kaum trüben kann.

Vor 400 Jahren starb Don Quijotes Schöpfer, der Schriftsteller Miguel de Cervantes, dessen Tod auf den 22. April 1616 datiert wird. Doch sein gegen Windmühlen kämpfender Romanheld lebt bis heute in Spanien fort und ist zu einem Markenzeichen des Königreichs geworden. Derart, dass warnende Rufe laut werden, das kulturelle Jahrhundertwerk Cervantes' könnte zur bloßen „touristischen Reklame“ herabgewürdigt werden.

Straßen und Gasthöfe im ganzen Land sind nach Don Quijote oder seinem literarischen Vater benannt. Tassen, Figuren und Schlüsselanhänger überfluten die Souvenirläden. Touristenbusse brummen durch die zentralspanische La-Mancha-Ebene südöstlich der Hauptstadt Madrid, um jene Windmühlen-Landschaft zu entdecken, die Cervantes zu seinem Welterfolg inspirierte. Die Abenteuer des wacker-tollpatschigen Ritters wurden zu Comics, Kindergeschichten, Theaterstücken, Kinofilmen und TV-Serien verarbeitet.

Don Quijote ist in der spanischen Gesellschaft heute noch so präsent, dass nicht wenige glauben, der lanzenbewehrte Ritter sei wirklich einmal auf seinem Gaul namens Rocinante durch Spanien geritten. Vielleicht auch, weil die berühmteste Szene des Buchs, in der Quijote verzweifelt gegen die Flügel von Windmühlen anrennt, die er für die Arme von Riesen hält, vielen Menschen aus ihrem eigenen Leben ziemlich bekannt vorkommt. Eine literarische Szene, die das berühmte Sprichwort vom aussichtslosen „Kampf gegen Windmühlen“ geprägt hat.

Im Januar 1605 erschien der erste Teil des Don-Quijote-Werkes. Ein damals in zwei Bänden herausgegebener Roman, der nach der Bibel zum meistverbreiteten Buch der Welt und in mehr als 70 Sprachen übersetzt wurde. Spanien feiert seinen berühmtesten literarischen Sohn mit einer Serie von Ausstellungen, Theateraufführungen, Lesungen und Kinovorstellungen (www.400cervantes.es).

Was ist das Geheimnis dieses Romans über die tragikomischen Erlebnisse des „Don Quijote von der Mancha“, wie er von Cervantes getauft wurde? Vielleicht, dass der schlaksige Ritter Quijote, begleitet von seinem dickleibigen Knecht Sancho Panza, ein unbeirrbarer, obgleich verwirrter Vorkämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit war. Eine Art Antiheld, dessen gut gemeinter Tatendrang meist mit Niederlagen gestoppt wurde. Uns dessen Abenteuer als ironische Beschreibung der damaligen Gesellschaft gelten.

Der spanische Schriftsteller und Don-Quijote-Erfinder Miguel de Cervantes Saavedra ist gewissermaßen ein Mann ohne Gesicht, denn es ist kein Bildnis überliefert, das von ihm zu Lebzeiten gemalt wurde.

Über seine Biografie weiß man ein bisschen mehr: Er wurde am 29. September 1547 in der Madrider Vorstadt Alcalá de Henares als Sohn eines mittellosen Arztes geboren. Als junger Mann wurde er Soldat und geriet in Gefangenschaft algerischer Piraten. Nach seiner Rückkehr in die Heimat schlug er sich als Steuereintreiber durch, landete dann aber wegen des Vorwurfs der Unterschlagung im Gefängnis, wo er angeblich sein Meisterwerk begann.

Cervantes war bereits 57 Jahre alt, als er den ersten Teil seines „Don Quijote“ im Januar 1605 veröffentlichte (1615 erschien der zweite Teil). Mit einer Auflage von ein paar hundert Exemplaren und in einer Zeit, in der 90 Prozent aller Zeitgenossen nicht lesen konnte. Noch im ersten Erscheinungsjahr folgten sechs Neuauflagen.

Im Jahr 1616, vermutlich am 22. April, starb Cervantes mit 68 Jahren. Lange Zeit galten seine sterblichen Überreste als verschollen. Vor kurzem verkündeten Wissenschaftler, dass sie in einem Madrider Kloster jene Stelle geortet hätten, an der die Gebeine von Spaniens berühmtesten Literaten ruhen könnten.

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