Ausstellung im Museum Ludwig Werke von Gabriele Münter sind in Köln zu sehen

Köln · Eine Ausstellung im Museum Ludwig in Köln entfaltet den kreativen Kosmos von Gabriele Münter. Eine faszinierende Schau.

 „Der blaue Bagger“ wurde von Gabriele Münter 1935 an der „Olympiastraße“ nach Garmisch gemalt.

„Der blaue Bagger“ wurde von Gabriele Münter 1935 an der „Olympiastraße“ nach Garmisch gemalt.

Foto: VG BILD-KUNST/LENBACHHAUS

Wie ein ernster Prophet steht Wassily Kandinsky auf der „Kahnfahrt“ (1910) im Boot auf dem Staffelsee. Hinter ihm blaue Berge, vor ihm hocken Marianne von Werefkin und der Sohn von Alexej Jawlensky. Die Ruderin zeigt uns nur ihren Rücken, doch es ist Gabriele Münter, die Aktivste, aber eben doch überragt vom Mann an Bord.

„Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky“, notierte die Künstlerin (1877-1962) im Tagebuch. Doch diesen Platz im Schatten ihres Lehrers und späteren Lebensgefährten dürfte sie dank der Schau „Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife“ verlassen. Die am Münchner Lenbachhaus von Isabelle Jansen und Matthias Mühling kuratierte Ausstellung zog dort schon 215.000, dann im Louisiana Museum bei Kopenhagen sogar 250.000 Besucher an.

Malerin als „bekannte Unbekannte“ bezeichnet

Nun hat Rita Kersting den Reigen der rund 130 Exponate – knapp die Hälfte davon noch nie oder nur zu Münters Lebzeiten gezeigt – fürs Museum Ludwig zu einem stringenten Themenparcours gruppiert. Sie sieht die gebürtige Berlinerin als „bekannte Unbekannte“, oft nur auf den in ihrem Murnauer Haus gegründeten „Blauen Reiter“ reduziert. Dabei ist da so viel mehr, dass Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior sagt: „Dies könnte fast eine Gruppenausstellung sein.“ Man bestaunt die schon exzellent komponierten Amerika-Fotografien der 23-Jährigen, später farbflirrende Segelboote und eine sonnendurchflutete Straße in Tunis. Echos des Spätimpressionismus – und dann Murnau.

„Nirgends hatte ich eine solche Fülle von Ansichten vereint gesehen“, begeistert sie sich für den bayerischen Ort, in dem sie ab 1908 ihren Malstil einschneidend verändert: expressiv nebeneinander gesetzte Farbflächen, radikal „aufgeräumte“ Kulissen und insgesamt kühne Verkürzungen in Landschafts- wie Menschenbildern. Die violetten Häuser im Murnauer Moos, dahinter auf bloße Umrisse gestutzte Bäume vor dem Zackenband der graublau schimmernden Berge: Farbe und Stimmung sind hier alles. Fast naiv muten manche dieser Werke mit den gar nicht erst ausgemalten Gesichtern, etwa „Im Garten in Murnau“, an.

Dem stehen leuchtstarke Porträts wie das von Marianne von Werefkin gegenüber, die den Betrachter mit hypnotischem Blick fixiert. Und wie die Reduzierung Münter als Seziermesser diente, mit dem sie den Wesenskern ihrer Motive herausschälte, sieht man an den wunderbaren Bildnissen zweier Schlafender.

Bilder von Kandinsky vor den Nazis gerettet

„Du hast alles von Natur“, umreißt Kandinsky das Talent seiner Geliebten, mit der er 1917 bricht. Die in Murnau zurückgelassenen Arbeiten gibt ihm die Düpierte nicht zurück, versteckt sie aber im Zweiten Weltkrieg und übereignet sie zu ihrem 80. Geburtstag dem Lenbachhaus. Ihr Naturtalent hindert die Künstlerin freilich keineswegs an der rastlosen Reflexion ihrer Malweise. In den 1920er Jahren gibt sie Stillleben die nüchterne Schärfe der Neuen Sachlichkeit oder malt eine mysteriös „Sinnende“, deren Körper an die kubistischen Menschmaschinen von Fernand Léger erinnert.

Außerdem versucht sich Gabriele Münter im „Primitivismus“, indem sie etwa exotische Masken geheimnisvoll belebt, sie inszeniert Volkskunst in geisterhaften Arrangements oder lässt sich von der unverdorbenen Spontaneität von Kinderzeichnungen beflügeln. Und immer wieder kehrt sie zu „ihren“ Motiven zurück, zeigt etwa in Bandol Boulespieler am blutroten Meer oder 1953 den „Blauen See“.

Am wenigsten kennt man wohl ihre Auseinandersetzung mit Arbeit und Technik. Erntende Bauern mögen ja noch in ihr ureigenes Feld fallen, doch der „Blaue Bagger“, der 1935 für die „Olympiastraße“ nach Garmisch tiefe Wunden in die Erde gräbt, zählt zu ihren ungewöhnlichsten Motiven. Für Gabriele Münter ist er „das Ungeheuer, das frisst und fallen lässt“.

Im vielstimmigen, aber nicht dissonanten Zusammenspiel all dieser Facetten erfüllt die luftig-stringent gehängte Schau den Wunsch von Yilmaz Dziewior: „Wir möchten andere Geschichten erzählen, als sie der übliche Kanon vorgibt.“

Ab Samstag bis 13. Januar 2019, Di-So 10-18, jeden 1. Do 10-22 Uhr. Katalog im Museum 35, im Buchhandel 39,95 Euro.

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