The Cure in der Lanxess-Arena Wenn der Spinnenmann kommt

Köln · 17.500 Fans freuten sich beim Konzert von The Cure in der Lanxess-Arena über 14 Zugaben. Das Konzert machte richtig Spaß.

 Theatralische Geste: Robert James Smith in der Lanxess-Arena. FOTO: DPA

Theatralische Geste: Robert James Smith in der Lanxess-Arena. FOTO: DPA

Foto: Thomas Brill

Um 22.48 Uhr geht ein mächtiger Ruck durch die Massen. Plötzlich, angesichts des riesigen Spinnennetzes, das sich quer über die Leinwand hinter der Bühne zieht, betört von einer unverwechselbaren Melodie, die zugleich einlullt und Bedrohung suggeriert, gellt der Jubel aus 17 000 Kehlen. Es klingt wie ein einziger Schrei. Die Luft vibriert, eine Welle der Energie erfasst die Halle, so stark, dass man meint, sie mit Händen greifen zu können. „On candystripe legs the Spiderman comes, softly through the evening sun”, hebt Robert Smith an – und schon zappeln wir alle im Netz des 57-Jährigen. Wir beben und zittern und zucken, nicht vor Angst, sondern vor Erwartung. Weil wir wissen, was kommt: „That the Spiderman is having you for dinner tonight.”

Spätestens jetzt, diese nächtliche Schreckensvision lustvoll hinausbrüllend, wild tanzend, ungeachtet all der Bierpfützen, die den Boden der Arena zum klebrigen Hopfenhonigteppich machen, sind selbst die Puristen glücklich. The Cure, die in diesem Jahr ihr 40. Jubiläum feiern, bestricken uns alle. Zu diesem Zeitpunkt am Donnerstagabend ist der Auftritt der britischen Band schon weit fortgeschritten.

„Lullaby“ als neunte von insgesamt 14 Zugaben (zusammen mit dem Hauptteil werden es am Ende 30 Stücke mit drei Pausen in gut zweieinhalb Stunden sein) wirkt bahnbrechend. Was danach kommt, von „Friday I'm In Love“ über „Boys Don't Cry“ bis hin zu „Why Can't I Be You“ gerät zur konzertanten Ekstase.

Darüber, dass der Frontmann – früher ein verführerischer Prinz aus dem Reich der Verdammnis – deutlich in die Jahre gekommen ist, mag sich niemand wirklich aufregen. Doch vielen fehlt anfangs die Cure-typische Dramatik, oft wirkt die Musik wie zur Ader gelassen. Ausgeblutet. Stücke wie „A Night Like This“ grenzen, zerclustert und zerrissen, wie sie klingen, an totale Demontage. Aller Stuck, der den gotischen Palast einst prachtvoll machte, ist abgeschlagen, neue Phrasierungen zerreißen die alten tonalen Tapisserien.

Doch muss sich einer wie Smith wirklich zum Sklaven der ewig Gestrigen machen? Die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass Songs wie „The Walk“, „In Between Days“ oder „Just Like Heaven“ noch immer exakt rüber kommen wie damals in den 80ern, als sie noch glaubten, dass Schwarz die einzige Farbe wäre, die man tragen könne? Und muss seine Band deshalb Hits wie „Pictures of You“, „Love Song“ oder „A Forest“ genauso spielen, als seien sie auf Kassette überspielt worden und kämen aus einem Walkman? „One Hundred Years“, als das letzte Stück vor dem so opulenten Zugabenteil, widerspricht dem deutlich. Unterlegt von einem Bilderreigen der Zerstörung, des Krieges und des Machtmissbrauchs, gepeitscht von gelben Laserstrahlen, steigert sich das zu apokalyptischer Wucht.

Unter denen, die anschließend draußen Luft schnappen, sieht man Menschen in blauen Anoraks, in weißen Mänteln und grünen Jacken. Die Zeiten ändern sich. Gut so.

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