Schumannfest 2017 Vorfreude

Götterfunken in Endenich: Unter dem Motto „Freude“ geht das 20. Bonner Schumannfest in seine Jubiläumssaison. Mit von der Partie sind wieder junge Künstler und exquisite Ensembles mit Klavier, Cello oder auch Tuba.

 Robert-Schumann-Duo Laura Moinian und Jamie Bergin

Robert-Schumann-Duo Laura Moinian und Jamie Bergin

Foto: Caro Maurer

Musik 20 Mal für Kenner und Könner. 20 Mal traumschöne Melodien und aufrüttelnde Rhythmen. 20 Mal Podium für junge Künstler und exquisite Ensembles. 20 Mal Festivalglanz zwischen alten Mauern und Bücherregalen. 20 Mal Konzertgenuss im Bonner Süden. 20 Mal Grund zur Freude, dass das Bonner Schumannfest, 1998 als Endenicher Herbst gestartet, vom 6. bis 18. Juni seine Jubiläumssaison feiert. Nach dem Motto „Freude“ mussten die Festival-Macher Markus Schuck und Ulrich Bumann also nicht lange suchen. Es war schon da. Und ist keineswegs von der beethovenstädtischen Dachmarke „Freude. Joy. Joie“ abgekupfert.

Denn was kaum jemand weiß: Eine frühe Vertonung der Schillerschen Ode „An die Freude“, zu hören im Eröffnungskonzert, stammt von Franz Schubert und entstand acht Jahre vor Beethovens 9. Sinfonie. „Dies ist eine wunderbare, leicht zugängliche Fassung“, schreibt Dean Webb in einem Kommentar zu Dietrich Fischer-Dieskaus Interpretation der Ode auf YouTube. „Beethovens Version lässt mich ausgelaugt und erschöpft zurück, bereit, meinem Schöpfer gegenüberzutreten. Diese hier zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht und macht mich für den Rest des Tages glücklich.“

Wer diese Wirkung bei sich selbst testen will, sollte sich das Auftaktkonzert am 6. Juni im Schumannhaus nicht entgehen lassen. Sechs junge Sänger und Pianisten aus Deutschland und Frankreich gestalten den Liederabend; das Konzept stammt von Anne Le Bozec und Pauliina Tukiainen, die das Schumannfest seit dem vergangenen Jahr als künstlerische Beraterin unterstützt.

Auch im weiteren Verlauf stehen Trauerklöße nicht auf dem Menü des Festivals. Alle 17 Veranstaltungen setzen sich mit Freude in der Musik und an der Musik auseinander. „Luck Child“ heißt das neue Solo-Album der niederländischen Jazz-Stimme Fay Claassen, die mit ihrem „Glückskind“ und einem zwischen angeraut und glockenhell changierenden Timbre am 16. Juni in die Harmonie kommt.

Am gleichen Ort wird die Freude messbar, wenn „21Meter60“ auf den Plan treten. 21 Meter und 60 Zentimeter lang ist kein Stimmband, kein Konzertflügel, keine Cellosaite. So lang sind, nein, wären drei Tuben, wenn sie ein Kraftprotz auseinanderwickeln würde. Das reicht nicht ganz bis einmal rund um die Welt, aber das ist dem Tubentrio egal: Mit ihrem Programm „Around the World“ treten „21Meter60“ am 10. Juni den Beweis an, dass ihre Instrumente viel mehr können als Humpta-Humpta-Blechgebrummel.

Ein traditioneller Schwerpunkt des Festivals ist die Klaviermusik. Zum Geburtstag des Komponisten am 8. Juni gibt sich eine Pianistin die Ehre, die seit ihrem Endenicher Debüt als 14-Jährige im Jahr 2006 zu den Publikumslieblingen zählt. Sophie Pacini, gerade als „Junge Künstlerin des Jahres“ mit dem International Classical Music Award ausgezeichnet, spielt im Schumannhaus Werke von Chopin, Liszt und Robert Schumann.

Auch die Bonner Pianistin Luisa Imorde haben Festivalgänger von ihrem ersten Auftritt 2009 in bester Erinnerung. Als „pianistisch-artistische Herausforderung“ bezeichnet die inzwischen vielfach ausgezeichnete Künstlerin die „Zirkustänze“ von Jörg Widmann, die sie höchst erfolgreich auf CD eingespielt hat. Am 13. Juni wird das Theater im Ballsaal zu Imordes Manege. Ob Franziska und Florian Glemser, am 15. Juni zu Gast im Ballsaal, als Klavierduo ebenso gut harmonieren wie als Ehepaar? Wahrscheinlich schon. Anders wären die Wagner-Bearbeitungen und die Beethoven-Variationen von Camille Saint-Saens kaum zu stemmen.

Last, but not least gastiert Teo Gheorghiu am 17. Juni mit Schumann, Brahms, Chopin und Ravel im Schumannhaus. Gheorghius Karriere startete im Kino: Als Klavier-Wunderkind „Vitus“ spielte der damals 14-Jährige 2006 an der Seite von Bruno Ganz einen Jungen, der schon im Kindergarten den Brockhaus liest und die Partygäste seiner ehrgeizigen Eltern mit Bach und Mozart entzückt. Nur in der Schreinerei des Großvaters darf Vitus ein ganz gewöhnlicher Junge sein. Bis er sein Leben in die eigene Hand nimmt.

„Um seine schauspielerische Begabung ist es nicht merklich schlechter bestellt als um seine musikalische“, schreibt Filmkritiker Christoph Petersen über den Hauptdarsteller Gheorghiu, „er punktet zwar hauptsächlich mit seinem kecken Charme, kann aber auch – wenn angebracht – die leiseren Töne zielsicher treffen.“ Ob der heute 24-jährige Pianist die leisen Töne auf dem Klavier ebenso gut trifft wie der Jungschauspieler auf der Leinwand, wird sein romantisches Endenicher Konzertprogramm zeigen. Aber auch der Schweizer Film darf im cineastischen Festivalprogramm nicht fehlen: Am 15. Juni läuft „Vitus“ im Rex-Kino. Für Filmliebhaber vorzumerken sind auch Ingmar Bergmans „An die Freude“ (11. Juni) und am 18. das Schumann-Biopic „Frühlingssinfonie“ mit Herbert Grönemeyer und Nastassja Kinski.

Filmmusik ohne Film ist aber auch schön: „Tutto Morricone“ heißt es am 14. Juni im Ballsaal, wenn das italienische Quintett Duomo bekannte Melodien von Ennio Morricone mit Gitarre, Flöte, Violine, Viola und Cello in Szene setzt – nur ein Beispiel für den abwechslungsreichen Aufmarsch der Formationen. Wer will entscheiden zwischen Cello und Klavier (7. Juni), dem klassischen Klaviertrio (9. Juni), dem ungewöhnlichen Zusammentreffen von Violine, Saxofon, Klavier (11. Juni) oder von zwei Trompeten und Orgel am 12. Juni in der Kreuzbergkirche? Und dann sind da auch noch die EMA-Junior- und Sinfonieorchester, die am 15. Juni in der Uni-Aula den großen Klang produzieren.

Das letzte Wort hat die menschliche Stimme: Das Abschlusskonzert am 18. Juni ist wieder ein Liederabend. Annika Gerhards (Sopran), Bariton Tobias Berndt und Pauliina Tukiainen am Flügel interpretieren Lieder und Duette von Robert Schumann, unter anderem den Zyklus „Myrthen“, in dessen Entstehungsjahr 1840 Clara schrieb: „Bald hätte ich vergessen, daß ich diese Nacht sehr schön und lieb von dir geträumt. Du küsstest mich und setztest mir einen wundervollen frischen Myrthenkranz auf, während du mich mit aller Innigkeit dabei in deine Arme schlossest. Ich erwachte ganz glücklich und dachte an – Dich...“. Was für eine Freude!

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