Die Wahrheit auf Schwarz und Weiß Steven Spielbergs Film "Die Verlegerin" ehrt den Printjournalismus

Ab Donnerstag im Kino: Meryl Streep in Steven Spielbergs Mediendrama „Die Verlegerin“. Der spannende Film ist eine Liebeserklärung an den Printjournalismus.

 Print bewegt: Bradlee und Kollegen als engagierte Leser.

Print bewegt: Bradlee und Kollegen als engagierte Leser.

Foto: dpa

Als die Verlegerin der „Washington Post“, Katharine Graham, eine Entscheidung trifft, die den Untergang ihrer Zeitung bedeuten könnte, laufen leitende Angestellte des Unternehmens verbal Amok: Tun Sie das nicht! Das könnte uns zerstören! Aber Graham behauptet sich kurz und nonchalant gegen die Macho-Offensive. Im amerikanischen Original: „My decision stands ... and I'm going to bed.“

Die Szene gehört zu den vielen Höhepunkten in Steven Spielbergs Film „Die Verlegerin“. Die von Meryl Streep verkörperte Graham erlaubte im Jahr 1971 ihrer Redaktion, Auszüge der sogenannten „Pentagon Papers“ zu drucken. Sie belegten, dass mehrere Präsidenten und Regierungen die Bevölkerung über das Engagement und die Erfolgsaussichten der USA im Vietnamkrieg belogen hatten.

Harry S. Truman, Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson machten in dem geheimen Bericht „Geschichte US-amerikanischer Entscheidungsfindungen in Vietnam, 1945-1966“ keine gute Figur. Die „New York Times“ erhielt als erstes Medium dank eines Informanten Einblick in das 1967 vom damaligen Verteidigungsminister Robert McNamara in Auftrag gegebene Geheimdokument. Die Veröffentlichungen der „Times“ und später der „Washington Post“ lösten ein politisches Beben aus. Die Hauptstadt wurde zur Arena. Dort beharkten sich ungleiche Gegner: die aufklärerischen Medien auf der einen, der mächtige Regierungsapparat auf der anderen Seite. Am Ende besiegte David Goliath.

In der Tradition von Filmen wie Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen“ (1976) und Tom McCarthys „Spotlight“ (2015) singt Steven Spielberg das Hohelied der Presse und der Meinungsfreiheit: mit dramatischen Paukenschlägen und effektvollen Dialogen (Drehbuch: Liz Hannah und Josh Singer); mit spannungsvoll komponierten Bildern (Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Michael Kahn und Sarah Broshar); mit den überlebensgroßen Kinolegenden Meryl Streep und Tom Hanks. Und mit der bewegten und bewegenden Musik von John Williams.

In Spielbergs Kinotableau passt eines perfekt ins andere. Im Zentrum stehen die Verlegerin, die sich anfangs nicht traut, und der furchtlose, freche und charismatische Chefredakteur Ben Bradlee (Hanks). In dessen Vokabular hat das Wort „aufgeben“ keinen Platz.

Spielbergs Drehbuchautoren manipulieren analog zum Churchill-Film „Die dunkelste Stunde“ historische Details, um die Spannung zu erhöhen. Weder Winston Churchill noch Katharine Graham zweifelten, anders als im Film dargestellt, ernsthaft an ihrer Mission gegen Nazis respektive US-Regierung.

Doch Kino funktioniert nach anderen Gesetzen als die Geschichtsschreibung. Im Film sind alternative Fakten oft produktiv.

Man darf sich den Regisseur Spielberg als einen leidenschaftlichen Zeitungsleser vorstellen. Anders ist ein Film nicht zu erklären, der den Printjournalismus liebt, und zwar alle Details, inklusive der Mechanik der Zeitungsproduktion: Recherche, Debatten, Schreibmaschinen, Texterfassung, Rohrpost, Rotation und Lastwagen, die die gedruckte Wahrheit ausliefern. Bis dahin ist es ein Weg mit Hindernissen. Bradlees unbedingtes Arbeitsethos kollidiert mit einer ihrer selbst unsicheren Frau, die nach dem Tod des Mannes ihr Unternehmen eher repräsentiert als führt; in der von lauten Männern dominierten Zeitungswelt ist sie nicht mehr als eine leise, manchmal stumme Statistin.

Streep und Hanks schenken sich als Graham und Bradlee bei aller Sympathie und Hochachtung wahrlich nichts. Die Entscheidung, die „Pentagon Papers“ zu publizieren, wird in dem Film als Triumph des Journalismus inszeniert – und als persönlicher Befreiungsakt der Verlegerin. Mit den Worten „Let's go. Let's do it“ erfindet sie sich neu.

Neben allen politischen und menschlichen Dramen findet „Die Verlegerin“ immer wieder Zeit für entspannende, humorvolle Akzente. In einer Szene zitiert Spielberg sich selbst. Als die Druckmaschine anläuft, beginnt die Kaffeetasse des „Post“-Veteranen Ben Bagdikian (Bob Odenkirk) zu vibrieren wie einst das Wasserglas in „Jurassic Park“. Herrlich auch der Augenblick, als der brisante Aufmacher auf dem Schreibtisch des Redakteurs landet und der nach einem kurzen Blick aufs Manuskript die einleitenden Sätze verwirft – und streicht.

Auch in historischen Momenten muss alles seine journalistische Ordnung haben.

"Die Verlegerin" läuft im Kinopolis in Bad Godesberg und in den Sternlichtspielen in Bonn.

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