500 Fotografien von 1970 bis 80 Sigmar Polke-Werkschau im Museum Morsbroich

Morsbroich · Das Museum Morsbroich zeigt in 500 Werken „Sigmar Polke – Fotografien 70-80“. Der Besuch lohnt.

 Sigmar Polke, aufgenommen 2005 in Zürich.

Sigmar Polke, aufgenommen 2005 in Zürich.

Foto: picture alliance / epa Keystone

Ins private Album von Otto Normalbürger hätten es diese Fotos wohl kaum geschafft: ein idyllisches Picknick, das in schwefelgelbe Unheimlichkeit kippt, oder Porträts, in denen die Gesichter wie von Säurefraß verwüstet wirken.

Das Kölner Kunstgenie Sigmar Polke (1941-2010) provozierte solche „kreativen Fehler“ schon beim Auslösen und half dann mit den Chemiewaffen des Labors kräftig nach. Da wurde gebleicht, verwischt oder solarisiert, als wäre Man Ray am Werk gewesen.

Dass nun im Museum Morsbroich knapp 500 „Fotografien 70 - 80“ zu sehen sind, verdankt sich einem Zufall. Denn Polke hatte seinem Sohn Georg die Bilderkiste 1978 geschenkt, als die Familie aus der Künstlerkommune Gaspelshof in Willich nach Köln zog. Erst vor zwei Jahren fand Georg den verschollen geglaubten Schatz im Keller wieder. „Aber ich kenne viele Leute auf den Fotos nicht“, erzählt er nun in Leverkusen. Wer etwa ist die in einer Serie abgelichtete „Telefonfrau“?

Als „großes Puzzle oder Memory“ sieht auch der stellvertretende Museumsleiter Fritz Emslander die Schau, wobei man sich von den Besuchern noch Hilfe beim rheinischen „Who is who?“ erhofft.

Bereits 2016 „Sigmar Polke - Gerhard Richter“

Düsseldorf, so Georg Polke, habe die Präsentation „verpennt“, in Köln „hatte Yilmaz (Dziewior) andere Pläne“. Also Morsbroich, wo es 2016 ja schon „Sigmar Polke – Gerhard Richter“ gab, „und wo ein Bekenntnis zum Museum überfällig ist“. Das sieht auch Emslander so, der für den schon abwesenden Chef Markus Heinzelmann symbolisch einen Stuhl frei hielt und von der Politik rasches Handeln erhofft: „Noch fehlt der Beschluss, die Direktorenstelle wieder zu besetzen.“

Aus dem Konvolut von 1000 Fotos zeigt man nun auf beiden Etagen rund die Hälfte. Etwa jene „Linsenflirts“, bei denen Polke die allgegenwärtige Kamera durch die Reihen der Künstlerfreunde kreisen ließ und jeder mal abdrücken durfte. So sieht man Sigmar als schaumgeborenen Wannenplantscher oder als Athleten, der sich so in einen Höhleneingang klemmt, als trüge er die Welt auf den Schultern.

Auf champagnerseligen Vernissagen kann man Kollegen wie Achim Duchow oder Blinky Palermo erkennen, während die Konturen von Polkes Lebensgefährtinnen Mariette Althaus und Katharina Steffen im Entwicklerbad verschwimmen. Der Foto-Alchimist schickt seine Schönheiten auf die Geisterbahn.

Geplanter Katalog soll Infos nachliefern

Offenbar sah der Künstler das Labor als Pinsel. So gibt es hier grob gerasterte Objekte wie in seinen Gemälden, daneben Fantasiestudien zu Goya-Werken oder surrealistische Spielereien, in denen eine Züricher Edelprostituierte zur mythischen „Lady Shiva“ mutiert. Und wie geschickt der Wahlkölner Fotos in Collagen einbaute, zeigt sein verdreifachter Obelisk von der Place de la Concorde, in den Ägyptens Sonnenmythologie projiziert wird.

Bildunterschriften gibt es bei den meist wie Filmstreifen präsentierten Serien nicht, doch hofft man im später geplanten Katalog möglichst viele Information nachliefern zu können. Dass die Labortricks auch in der Malerei wirkten, bewies Polke 1986 auf der Biennale von Venedig. Dank Silbernitrateinsatz durchliefen die Gemälde vor den Augen der Betrachter noch fotochemische Veränderungen – was der Künstler dann wieder im verfremdenden Foto festhielt.

Vom 27. 5. bis 2. 9., Di-So 11-17 Uhr, Do im Juni auch 18-21 Uhr, Feiertage 11-17 Uhr. Gustav-Heinemann-Str. 80.

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