Highlights des Internationalen Tanzes Schumanns Schatten

Bonn · Das Royal Ballet Flanders gastiert mit „Van Manen / Cherkaoui“ bei den Februar-Tanztagen in Bonn: Eine spannende Begegnung zweier Choreografen-Generationen.

 Farben des Herbstes: Szene aus Sidi Larbi Cherkaouis Choreografie „Fall“. FOTO: FILIP VAN ROE

Farben des Herbstes: Szene aus Sidi Larbi Cherkaouis Choreografie „Fall“. FOTO: FILIP VAN ROE

Foto: FILIP VAN ROE

Mit seinem ersten Abend als neuer Leiter des Royal Ballet Flanders hat der Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui in seiner Heimatstadt Antwerpen vor anderthalb Jahren eine echte Punktlandung hingelegt. Die Grundidee seines Einstands: Er konfrontierte zwei eigene Choreografien mit zwei Kreationen des Niederländers Hans van Manen.

Das Ergebnis konnte man jetzt dank der Februar-Tanztage der Oper auch in Bonn begutachten. „Van Manen / Cherkaoui“ ist schon deshalb überaus reizvoll, weil die Künstler unterschiedlichen Generationen angehören. Auf der einen Seite der erst 40-jährige Cherkaoui, der als Kind marokkanischer Eltern in Antwerpen aufwuchs, auf der anderen Seite der 85-jährige Hans van Manen, Mitbegründer des Nederlands Dans Theater und Choreograf mit prägendem Einfluss auf seine Zeitgenossen.

Dass van Manens „Four Schumann Pieces“, mit denen der Abend eröffnet wurde, genauso alt ist wie Cherkaoui, mag für den Antwerpener Ballettchef von zusätzlichem Reiz gewesen sein. Die Choreografie zu der Musik von Schumanns Streichquartett in A-Dur op. 41 Nr. 3 wurde bei Gelegenheit als „dramatisches Ballett ohne Geschichte“ bezeichnet. Aber durchaus mit handelnden Personen. Den Solotänzer (Wim Vanlessen) in weißem Trikot auf der leeren Bühne muss man sich als Robert Schumann vorstellen. Er ist von fünf Paaren umgeben. Ihre schwarz-weißen, stilisierten Biedermeierkostüme erinnern an die Schumannzeit. Und natürlich tanzen sie auch Spitze.

Die fünf Männer und fünf Frauen sind Schumanns Schatten, die sowohl ein vom Protagonisten scheinbar unabhängiges (tänzerisches) Leben führen, dann wieder gibt es Annäherungen, Begegnungen und Berührungen. Interessant zu sehen ist, wie eng van Manen dabei an der Musik entlangchoreografiert. Nicht nur im Tempo, sondern auch im kontrapunktischen Stimmgeflecht, das sich etwa in Gegenbewegungen des in Gruppen aufgeteilten Ensembles spiegelt. Die Tänzer aus Flandern bewegten sich mit schöner Geschmeidigkeit durch die Choreografie, der Solist gefiel ebenfalls, auch wenn seine Bewegungen dynamischer hätten sein dürfen.

Cherkaouis Gegenstück, das für seinen Einstand geschaffene Tanzstück „Fall“ für ein 28-köpfiges Ensemble, wirkt neben diesem fein ziselierten Tanzdrama wie Chaos, ein Chaos freilich von der Schönheit fallender Blätter im Herbst. Das arbeitet Cherkaoui mit seinen Tänzern, die von drei wie von Wind bewegten Stoffbahnen umgeben sind, wunderbar heraus. Zumal Arvo Pärts spirituell-meditative Klänge aus „Fratres“ oder „Spiegel im Spiegel“ den idealen Soundtrack für diese herbstlichen Tanzszenen liefern.

Cherkaouis erste Choreografie an diesem Abend, das Duo „Faun“ nach Claude Debussys „A l'apres midi d'un faune“ und zusätzlichen weltmusikalisch angehauchten Klängen von Nitin Sawhney, erregte an diesem Abend den verblüffendsten Effekt. Alexander Burton und Nicola Willis, die Cherkaoui dem Faun als Nymphe an die Seite gibt, verwandelten sich allein durch ihre fließenden Bewegungsfiguren in naturhafte Zwischenwesen. Die erotisch aufgeheizte Atmosphäre, die in den kraftraubend-virtuosen Figuren entsteht, sind ein harmonischer visueller Widerhall der aquarellschwülen Klangfarben Debussys.

Als Gegenpart folgte van Manens „Solo“ für drei Tänzer (Brent Daneels, Claudio Cangialosi und Gary Lecoutre), ein immens witziges und virtuoses Stück zu Johann Sebastian Bachs Courante und Double aus der Partita für Violine solo h-Moll BWV 1002. Van Manen ist auch hier wieder ganz dicht an der Musik, was schon wegen der Hochgeschwindigkeit, mit der die Bach'schen Noten vorüberfliegen, eine Glanznummer ist. Auch nach diesem Stück gab es begeisterte Zustimmung aus den ausverkauften Publikumsreihen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort