Bestseller-Verfilmung "Schloss aus Glas": Drama mit Brie Larson und Naomi Watts

Bonn · Die vor zwölf Jahren veröffentlichte Familiengeschichte der Journalistin Jeanette Walls wurde ein Bestseller. Destin Daniel Crettons liefert eine eindrucksvolle Romanverfilmung von Jeannette Wallis: „Schloss aus Glas“.

 Auf Achse: Rose Mary (Naomi Watts), Brian (Charlie Shotwell), Lori (Sadie Sink), Rex (Woody Harrelson) und Jeannette Walls (Ella Anderson) im Film „Schloss aus Glas“.

Auf Achse: Rose Mary (Naomi Watts), Brian (Charlie Shotwell), Lori (Sadie Sink), Rex (Woody Harrelson) und Jeannette Walls (Ella Anderson) im Film „Schloss aus Glas“.

Foto: dpa

Ihr lernt, indem ihr lebt. Alles andere ist eine Lüge“, ruft der Vater in die Weite der Prärie hinein, als die Tochter darauf aufmerksam wird, dass sie nicht wie andere Kinder in eine „echte“ Schule geht. Die Schule des Lebens, die Max (Woody Harrelsen) und seine Frau Rose Mary (Naomi Watts) ihren drei Kindern angedeihen lassen, ist zunächst ein großes Abenteuer. Wie Nomaden ziehen sie von Ort zu Ort, kreuz und quer durch den Süden der USA. Wenn die Mutter einen Baum sieht, den sie unbedingt malen will, wird das Lager auch schon einmal unter freiem Himmel aufgeschlagen.

Auf dem Rücken liegend schaut Jeannette (umwerfend: Ella Anderson) mit dem Vater in die Sterne, während andere sich in ihren sicheren Häusern einsperren. Die Zwölfjährige verehrt ihren Daddy, der nachts über den Plänen eines solarbetriebenen Glashauses sitzt, das er für die Familie bauen will, aber nie bauen wird. Denn der umherschweifende Lebensstil ist weniger einer freien Entscheidung als dem Unvermögen des Vaters geschuldet, der es nie länger als ein paar Monate in einem Job aushält.

Der Kühlschrank ist oft leer und spätestens wenn die Gerichtsvollzieher anrücken, heißt es: Sachen packen und in die nächste Stadt ziehen. Max ist Alkoholiker und so sehr ihn seine Kinder bewundern, so sehr haben sie auch Angst vor seinen unberechenbaren Launen. Einmal gelingt es ihm auf Jeannettes Drängen hin, mit dem Trinken aufzuhören.

Als er ein Jahr später wieder anfängt, ist für die Geschwister klar, dass sie sich um sich selbst kümmern müssen. Sie gehen in die Schule, schmieden Zukunftspläne, sparen heimlich Geld, um einer nach dem anderen ihrem familiären Schicksal zu entfliehen. Mit „Schloss aus Glas“ verfilmt Destin Daniel Cretton den autobiografischen Roman von Jeannette Wallis, der 261 Wochen auf der Bestsellerliste der „New York Times“ stand. Wie die Vorlage ist auch der Film mit einer Rahmenhandlung versehen, in der die New Yorker Journalistin Jeannette (Brie Larson) auf ihre Kindheit zurückblickt.

Das Monster der Kindheit

Die beiden Zeitebenen bilden gegenläufige Bewusstwerdungsprozesse ab: Als Kind muss Jeannette in dem geliebten Vater den trunksüchtigen Egoisten erkennen, von dem sie sich ablösen muss. Als erwachsene Frau muss sie lernen, in ihm nicht nur das Monster ihrer Kindheit zu sehen, sondern Max als Teil ihrer eigenen Vergangenheit zu akzeptieren.

Dieser allzu therapeutische Erzählansatz führt am Ende zu übersteuerten Versöhnungsszenarien, entwickelt aber auf der Kindheitsebene seine Stärken. Hier lässt sich Cretteon voll und ganz auf die Perspektive der kleinen Tochter ein, die immer wieder der Faszination für die schillernde Vaterfigur erliegt und lernen muss, aus den Enttäuschungen eigene Stärke zu entwickeln.

Eindrucksvoll zeigt der Film, was es für ein Kind bedeutet, wenn der Egoismus der Eltern stärker ist als deren Fürsorgegefühle. Dass solche Konstellationen im echten Leben selten zu einem Happy End führen, davon können Sozialarbeiter und Therapeuten wahrscheinlich besser erzählen als Filmemacher, die in optimistischen Erzählkonventionen gefangen sind.

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