Film von Steven Spielberg "Schindlers Liste" kommt im Januar wieder ins Kino

Bonn · Steven Spielbergs oscarprämiertes Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ kommt ab dem 27. Januar 2019, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wieder in die Kinos. Die Lehren des Films hält der Regisseur für hochaktuell.

 Oskar Schindler (Liam Neeson, links) diktiert seinem jüdischen Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley) seine Liste.

Oskar Schindler (Liam Neeson, links) diktiert seinem jüdischen Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley) seine Liste.

Foto: picture alliance/dpa

Der amerikanische Filmemacher Steven Spielberg (72) findet es wichtig, dass sein Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ aus dem Jahr 1993 nach 25 Jahren erneut in die US-Kinos kommt. „Es ist die perfekte Zeit, den Film noch einmal zu veröffentlichen. Wahrscheinlich noch wichtiger als damals in den 90er Jahren“, sagte Spielberg in einer Fernsehsendung. „Heute steht mehr auf dem Spiel als damals.“ Der Regisseur will jungen Menschen eine Botschaft vermitteln: „Wenn einzelne Menschen hassen, ist das schrecklich. Aber wenn dieser Hass organisiert daherkommt und industrialisiert wird, dann führt das zu einem Völkermord.“

Die wahren Geschichten über das Ausmaß und die Tragödie des Holocaust dürften nie vergessen werden, sagte Spielberg. „Und die Lehren des Films über die entscheidende Bedeutung der Bekämpfung des Hasses hallen auch heute noch nach.“

Der dreieinhalb Stunden lange Schwarz-Weiß-Film mit Liam Neeson in der Hauptrolle feierte am 30. November 1993 in Washington Premiere. Der US-Kinostart folgte am 15. Dezember 1993, der deutsche Kinostart am 3. März 1994. Der Film wurde mit sieben Oscars ausgezeichnet. Bei der Preisgala im März 1994 wurde Spielberg zum besten Regisseur gekürt und holte als Produzent auch den Oscar für den besten Film.

Anlässlich des 25. Jahrestags bringt das Studio Universal Pictures den Film am 27. Januar 2019, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, technisch überarbeitet auch in die deutschen Kinos.

Eindringliche und authentische Bilder

„Schindlers Liste“ beginnt mit einer schockierenden Szene. Zur Morgengymnastik des SS-Hauptsturmführers Amon Göth gehören Schießübungen. Auf dem Balkon seiner Villa, die oberhalb des Zwangsarbeiterlagers Plaszow in der Nähe von Krakau liegt, fühlt Göth sich wie auf dem Hochstand und feuert wahllos, beiläufig und ungerührt auf jüdische Gefangene, die ihm zufällig ins Visier kommen. Gleichzeitig begehrt der uniformierte Serienmörder seine jüdische Haushälterin Helen Hirsch. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, schlägt und erniedrigt er Helen, seine Gefühle exorziert er mit Gewalt.

In diesen Szenen ist die gefährliche Irrationalität des Nazi-Systems aufgehoben, jene Fähigkeit zu skrupelloser Bestialität, die weder durch zivilisatorische Regeln noch durch ethische Normen und nicht einmal durch Liebe zu erschüttern war. Spielberg fixierte die Geschichte des Dritten Reiches und seiner Verbrechen in dichten Bildern, eindringlich und authentisch zugleich. Er wendete alle seine Kunst auf, um, wie er feststellte, das Unvorstellbare begreifbar zu machen.

„Schindlers Liste“ basiert auf dem gleichnamigen Tatsachenroman von Thomas Keneally. Der Industrielle Oskar Schindler, der nach Hitlers Überfall auf Polen nach Krakau kommt, betrachtet den Krieg als Fundament seiner unternehmerischen Karriere. Er verhandelt, nicht ohne Druck auszuüben, mit Juden über den Kauf einer Emaillewaren-Fabrik und versteht es dank seiner durch Bestechungen erleichterten Kontakte zu Nazi-Bürokraten, SS-Offizieren und Schwarzmarkthändlern, einen florierenden Betrieb aufzubauen. Rasse und Religion sind dem opportunistischen Parteimitglied Schindler gleichgültig, er lässt Juden zunächst in seiner Firma arbeiten, weil sie weniger kosten als Polen. Ihr einziger Lohn: eine Arbeitserlaubnis, die sie dem drohenden Tod entzieht.

Selbst als 1943 die Menschen aus dem Krakauer Ghetto in das Lager Plaszow deportiert werden, hält Schindler an seinen jüdischen Arbeitern fest, schließlich rettet er gegen Zahlung gewaltiger Bestechungssummen rund 1200 Juden vor den Gaskammern. Jeder Name auf „Schindlers Liste“ bedeutet ein Opfer weniger.

Schindler entkam dem System nur knapp

Spielberg und seinem Hauptdarsteller Neeson gelingt es nicht, Schindlers Motive letztgültig zu erhellen. War der Bonvivant und Frauenheld ein Kollaborateur mit Gewissen? Oder betrachtete der notorische Spieler es lediglich als Triumph, die Nazis ein ums andere Mal zu überlisten? Dann spielte er auch mit seinem eigenen Leben: Knapp nur entkam Schindler dem Zugriff des misstrauisch gewordenen Systems.

Neeson faszinierten die Widersprüche seiner Figur, die er überzeugend verkörpert. Spielberg über seinen Schauspieler: „Er besitzt eine fesselnde Präsenz und eine wundervoll tiefe, von Zigaretten und Cognac geschwängerte Stimme. Auf der Leinwand strahlt er all das aus, was Schindler ausmachte: Charisma, Sex-Appeal und das Flair eines Gentleman.“ Der Krieg, heißt es an einer Stelle im Film, bringe das Schlechteste im Menschen zum Vorschein; Schindler ist aus welchen Gründen auch immer der lebende Gegenbeweis für diese These. Amon Göth ist die Bestätigung, Schindlers düsteres Alter Ego.

Der Engländer Ralph Fiennes hat einen Charakter erschaffen, der das Böse auf fast schon banale Weise verkörpert, er ist die alltäglich gewordene Vernichtungslust. Aber er ist mehr als ein Monster, unter der Oberfläche sadistischer Rage macht Fiennes Züge verschütteter Menschlichkeit spürbar. Der Film hatte 1993 der aufgeklärten Welt eigentlich nichts Neues zu sagen; er zeigte es nur mit einzigartigen Mitteln. Umfragen und Untersuchungen in den USA ergaben allerdings, dass viele Schüler mit dem Begriff Holocaust nichts anfangen können. Überdies waren seit einigen Jahren Umdeuter und Geschichtsrevisoren am Werk, deren groteskes Wort von der „KZ-Lüge“ auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden fiel. Auf Spielbergs Film ruhte die Hoffnung, er möge diese Entwicklung aufhalten.

Kaum erträgliche emotionale Wucht in manchen Szenen

Zu den Stärken des Films gehört die Fähigkeit, die Vergangenheit unmittelbar erlebbar zu machen. „Wir produzieren keinen Film“, sagte Spielberg seinem Team, „sondern ein Dokument. Praktisch alles, was ich je in Dokumentarfilmen oder Büchern über den Holocaust gesehen habe, ist mir als eine Folge von schwarz-weißen Bildern in Erinnerung geblieben.“ Also entschied sich auch Spielberg für Schwarz-Weiß. Sein Kameramann Janusz Kaminski hat rund 40 Prozent des Films mit Handkameras gedreht, deren am CNN-Fernsehjournalismus orientierte Ästhetik den authentischen Eindruck bekräftigt. Viele Szenen wirken, als seien sie in den 40er Jahren gedreht und 1993 erstmals gezeigt worden.

Wenn er Schindlers Umgang mit den Nazis zeigt, pflegt Spielberg hingegen die formalisierte Filmsprache der 30er und 40er Jahre, die ihm wie dem Zuschauer Distanz erlaubt. Massenszenen wiederum, die Räumung des Ghettos, die Selektion im Arbeitslager besitzen eine kaum erträgliche emotionale Wucht: großes Hollywood. Mit unterschiedlichen filmischen Stilmitteln lenkt Spielberg die Einstellungen und Gefühle des Zuschauers. Er ist ein Meister der Manipulation, hier im Dienste der Aufklärung.

Schauplätze, Kostüme, Frisuren sind makellos reproduziert worden. Das Team drehte in Auschwitz-Birkenau, in Krakau und Umgebung, in Schindlers alter Fabrik und in seiner Krakauer Wohnung. Das Lager Plaszow rekonstruierte der Ausstatter Allan Starski: 34 Baracken, sieben Wachtürme sowie eine Anfahrtsstraße, die mit jüdischen Grabsteinen gepflastert war.

Er war sich und seinen Vorfahren diesen Film schuldig, sagte Spielberg, der kindlichste unter Hollywoods Regisseuren. „Auf mein jüngstes Unternehmen habe ich mich sozusagen mein ganzes Leben hindurch vorbereitet.“ Stets war er sich während der Dreharbeiten in Polen bewusst, „dass ich als Jude 50 Jahre zuvor mit dem nahezu unausweichlichen Tod hätte rechnen können“.

„Schindlers Liste“ ist auf DVD und Blu-ray erhältlich.

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