Zurück im Tunnel Schauspiel unter der Erpeler Ley

ERPEL · Das Stück „Die Brücke“ von Walter Ullrich nach Rolf Palms Roman „Die Brücke von Remagen“zeigt Zeitgeschichte am Originalschauplatz. Seit 2006 wurde das Schauspiel bereits 123 Mal aufgeführt.

 Hauptmann Bratge und Leutnant Siegel erstatten Major Scheller Bericht über die militärische Lage an der Brücke

Hauptmann Bratge und Leutnant Siegel erstatten Major Scheller Bericht über die militärische Lage an der Brücke

Foto: Kleines Theater Bad Godesberg

Drei Kriege führte Karthago: Nach dem ersten war es noch mächtig, nach dem zweiten noch bewohnbar, nach dem dritten aber vom Angesicht der Erde verschwunden. Möge Deutschland dies erspart bleiben!“ Die Gänsehaut bei diesen Worten ist beileibe nicht nur der Tatsache geschuldet, dass es nach gut zwei Stunden im Tunnel unter der Erpeler Ley tatsächlich ein wenig zugig wird.

Sie gilt vielmehr dem ebenso eindringlichen wie berührenden Appell von Leutnant Timmermann (Hanno Dinger), der einst seine Kindheit in der Region rund um Remagen verbrachte und nun mit seinen Männern auf den Rhein vorrückt, um Europa endgültig vom Naziterror zu befreien. Es ist ein Monolog, wie Schauspieler ihn sich nur wünschen können: in die absolute Stille des Publikums hinein – noch dazu am historischen Originalschauplatz.

„Nie wieder Krieg“: So lautet das Fazit des Schauspiels „Die Brücke“, das Walter Ullrich – Gründer und Leiter des Kleinen Theaters Bad Godesberg und Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz – nach Rolf Palms Roman „Die Brücke von Remagen“ verfasst hat. Und anders als in dem amerikanischen Kriegsfilm wird, was sich Mitte März 1945 vor der Ludendorff-Brücke ereignete, so historisch korrekt wie irgend möglich wiedergegeben.

Leutnant Timmermann jedenfalls hat einen gewagten Plan: Falls es der 9. US-Panzerdivision gelingen sollte, die Brücke bei Remagen zu überqueren und die rechte Rheinseite zu erreichen, könnte das den Durchbruch bedeuten. Es ist gelungen, und es hat – darüber sind sich die Historiker heute einig – den Zweiten Weltkrieg in Europa tatsächlich um einige Monate verkürzt, unzähligen Menschen das Leben gerettet und den Städten am rechten Rheinufer das bittere Schicksal erspart, so wie Karthago im Kampf unterzugehen.

Während also die Amerikaner unaufhaltsam vorrücken, bereitet im Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley das Wehrmachtskommando die Sprengung der Brücke vor. Zugleich suchen Hunderte von Zivilisten im Tunnel Schutz vor Bomben und Granaten.

Der Sprengversuch misslingt, die Amerikaner stürmen auf die Brücke und beschießen den Tunnel, in dem sich dramatische Szenen abspielen. Schließlich hindern die Zivilisten die Wehrmachtssoldaten daran, ihn mit Waffengewalt zu verteidigen, und laufen – mit weißen Tüchern winkend – ins Freie. Der Eisenbahner Willi Feldens bricht, von einer amerikanischen Kugel getroffen, zusammen. Er wird das einzige Todesopfer an diesem Tag bleiben.

„Die Brücke“ macht dieses dramatische Stück Zeitgeschichte nun wieder lebendig. Ein Stück, das ohne erhobenen Zeigefinger und ohne die in zahlreichen Kriegsfilmen üblichen Klischees auskommt. Weil es genügt, Verzweiflung und Resignation den zynischen Durchhalteparolen vom Endsieg gegenüber zu stellen, an die zum Schluss nicht einmal mehr die Hitlerjungen glauben.

Seit 2006 wurde das Schauspiel bereits 123 Mal im Tunnel aufgeführt. Die wichtigsten Rollen sind seit der Premiere 2006 mit den gleichen Akteuren besetzt: Mathias Kiel als Major Scheller, Heiko Haynert als Hauptmann Brathge und Karl-Heinz Dickmann als Brückenkommandant Friesenhahn verkörpern die Wehrmachtsoffiziere in ihrem Konflikt zwischen Gehorsam und eigener Verantwortung. Die Frage, wie man selbst entscheiden würde, mag jeder für sich beantworten. Doch den Schauplatz unbeteiligt verlassen? Das hat noch keiner.

Info: Vom 9. bis 30. Juni. Karten bei bonnticket, über die Kartenhotline 0228/502010 und an der Abendkasse. Info: www.ad-erpelle.de

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