Beethoven-Zyklus des WDR Sinfonieorchesters Revolutionäre Vierte

Köln · Der finnische Orchesterchef Jukka-Pekka Saraste beginnt in der Kölner Philharmonie mit der Aufführungsserie aller neun Sinfonien Ludwig van Beethovens.

 Dirigent Jukka-Pekka Saraste.

Dirigent Jukka-Pekka Saraste.

Foto: Homepage

Beethoven war ein Revolutionär. Selten ist eine Musik so kämpferisch, so umstürzlerisch und auch so politisch. In einer Zeit, in der viele nach einer Wende rufen – sei es in Klima- oder Weltpolitik – scheinen seine Sinfonien wieder hochaktuell. Alle Orchester haben sie natürlich drauf, doch selten hört man sie en bloc. Zum 70. Jubiläum des WDR Sinfonieorchesters und nach sieben Jahren im Amt hat Chef Jukka-Pekka Saraste den Wunsch, alle neun in vier Konzerten aufzuführen und einzuspielen. „Ich bin der Auffassung, jedes Orchester sollte seine eigene Perspektive auf Beethovens sinfonisches Werk haben“, sagt er dazu im Programmheft. Jetzt begann der Zyklus in der Philharmonie an zwei Abenden mit den Sinfonien Nr. 1 bis 5. Im Februar folgen an zwei weiteren die Sinfonien Nr. 6 bis 9.

Das erste Konzert startet passend mit der ersten Sinfonie. Hier wurde der Hörer erst einmal auf den Boden der Tatsachen geholt. Es ist eine gut und sauber gespielte, aber irgendwie auch routinierte Interpretation ohne Aha-Effekte. In der Musik findet sich ja sogar noch eine Spur Haydn-Witz. Aufhorchen lässt erst das federnd gespielte Trio im Scherzo, in dem die Holzbläser mit den Violinen tänzeln. Schade ums Pionierwerk.

So wird zum bejubelten Höhepunkt vor der Pause die oft vernachlässigte vierte Sinfonie. Wurde die etwa mehr geprobt? Bereits in der verschatteten langsamen Einleitung wirkt vieles ausgereifter und stimmiger. Im Allegro vivace plappert das erste Fagott frech im Buffo-Tonfall. Im Adagio verdeutlicht Saraste die beiden widerborstigen Ebenen von Melodie und Begleitrhythmus. Dann verfeinern Klarinette und Flöte den Klang, schließlich werden bewusst Tonreibungen inszeniert. Diese Sinfonie ist ja keinesfalls weniger revolutionär als die anderen. „Entspannt“, wie im Programmheft zu lesen, ist sie eigentlich nie. Ihr Spiel mit unterschiedlichen Metren wirkt eher modern, bisweilen sarkastisch und wild gegen jede Konvention verstoßend.

Am Pult cool bleiben und das Orchester voranpreschen lassen – das ist das Rezept für Sarastes Dirigat der weltberühmten „Schicksalssinfonie“. Die Pauken hämmern wahrhaft aggressiv, fürs Innehalten bleibt kaum Zeit. Eine stringente, dabei durchaus warm flutende und in den Streichern expressive Wiedergabe des Klassikers. Hier zahlt sich die Orchesteraufstellung mit Celli und Kontrabässen Mitte links voll aus. Der Übergang vom Scherzo ins Finale gelingt gut, die Pizzicato-Passage wird klar konturiert. Im Finale gefällt nicht zuletzt die überaus pfiffig klingende Piccolo-Flöte von Leonie Brockmann ohne stechende Schärfe. Toll!

Natürlich findet Beethoven in der Coda der Fünften nur schwer das Ende. Immer wieder setzt er neu an – der britische Klavier-Komiker Dudley Moore hat das einmal gewitzt aufs Korn genommen. Damit betonte er gleichfalls die Modernität Beethovens. Der musikalische Impuls geht immer weiter, der Wille zur Veränderung darf nie erlöschen.

Zum Nachhören im Konzertplayer: www.wdr3.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort