Ausstellung in Köln Prächtige Raubkunst im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen

Köln · Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln rekapituliert die wechselhafte Geschichte der Kunstsammlung der Kölner Jesuiten. Französische Revolutionstruppen hatten Ende des 18. Jahrhunderts die Kölner Kunst geraubt.

 Dürer-Werkstatt oder Umkreis: „Heiliger Paulus“. Rechts oben mit „Col.“ gestempelt.

Dürer-Werkstatt oder Umkreis: „Heiliger Paulus“. Rechts oben mit „Col.“ gestempelt.

Foto: Wallraf-Richartz-Museum

Man sieht den winzigen Stempel „Col.“ rechts oben auf der wunderbaren Federzeichnung des Heiligen Paulus von der Hand eines Meisters, der stilistisch ganz nah an Albrecht Dürer ist, erst auf den dritten Blick. Und die Brisanz dieser Markierung erschließt sich nach und nach. „Col.“ bedeutet Cologne. In der Bibliothèque nationale in Paris wurden damit Blätter gestempelt, die französische Revolutionstruppen 1794 aus der Kunstsammlung des Kölner Jesuitenordens geraubt und nach Paris verschleppt hatten. Mehr als 6000 Zeichnungen und Drucke, ein unschätzbarer Wert. Die Idee: Kunstwerke aus Italien, Deutschland und den Niederlanden sollten einer von allen feudalen Fesseln des Ancien Régime befreiten Menschheit im Louvre zugänglich gemacht werden. Es kam etwas anders.

Rund 5500 Kölner Zeichnungen gelangten in der Tat in den Louvre und wurden dort in die eigene Sammlung integriert. Etwa 500 Blätter kamen in die Bibliothèque nationale, wurden mit „Col.“ gestempelt. Ein Glück: Denn so konnten sie nach dem Zusammenbruch von Napoleons Reich als Raubkunst aus Köln identifiziert und zurückgegeben werden. 523 Werke traten – mit Rubens' „Kreuzigung Petri“, die aus St. Peter in Köln entführt worden war – 1815 die Rückreise in die Domstadt an. Das Gros der Jesuitensammlung ist noch heute in Paris. Nicht ganz: In der exzellenten Ausstellung „Wir Glauben Kunst“, mit der das Wallraf-Richartz-Museum an die Jesuitenschätze erinnert, kann man per Monitor Werke aus Paris sehen. Die 1794 zerschlagene Sammlung wird also auf Zeit virtuell vereinigt.

Qualität ist sehr hoch

90 Blätter sind in dem um zwei Räume erweiterten Grafischen Kabinett zu sehen, ein beeindruckendes Konvolut mit Schwerpunkt auf der barocken Kunst Italiens und Exkursen in die Renaissance Süddeutschlands und in die Münchner Kunstszene um 1600. Eine delikate Mischung. Die wohl als Lehrsammlung angelegte Kollektion der Kölner Jesuiten umfasst in erster Linie religiöse Themen. Es gibt aber auch Landschaftsbilder und Allegorien, eine kleine Sammlung von Stammbuchblättern und eine Serie von Kinderporträts. Die ganz großen Meister und Namen fehlen, die Qualität ist trotzen sehr hoch. Zeichnung erscheint als flüchtige Skizze, als vorbereitender Entwurf, als Kompositionsstudie oder auch als autonomes Blatt – das macht die Schau spannend.

Für dieses Projekt ist Thomas Ketelsen, langjähriger Leiter der Grafischen Sammlung und seit einem halben Jahr an der Klassik Stiftung Weimar tätig, an seine alte Wirkungsstätte ins Wallraf zurückgekehrt. Mit einem Expertenteam hat er die Schau konzipiert und das Schicksal der Jesuitensammlung in einem sehr lesenswerten Katalog dokumentiert. Sie sei wiederholt in Gefahr gewesen, erzählt er. 1773 etwa, nachdem der Papst den Orden aufgelöst hatte, wuchsen bei der Stadt Köln, die die Kunstschätze geerbt hatte, die Begehrlichkeiten. Sie wollte das Ganze verkaufen. „Das war schon immer so in Köln“, witzelte Ketelsen. Der Verkauf scheiterte. 21 Jahre später griffen die Franzosen zu.

Karnevalistischen Festumzug

Etliche Blätter ragen aus der Sammlung heraus, etwa die aus dem Dürerkreis – von den Schülern des Meisters Hans Schäufelein und Eberhard Schön. Tobias Stimmers prächtiger Entwurf für eine Glasmalerei (1582) vereinigt wunderbare Figurendarstellung mit Dekoration und einem feinen Landschaftsausschnitt. Ganz hinreißend ist ein Blatt des Nürnberger Silberschmieds Christoph Jamnitzer, der um 1600 einen virtuosen karnevalistischen Festumzug alla Veneziana zeichnete. Mit Verve warf Joannes Ghinago 1668 seinen eleganten Ikarus als eitlen Geck aufs Papier. Ein meisterhaft in grau auf einem braunen Blatt mit dem Pinsel gemaltes Blatt. Vater Dädalus im Hintergrund scheint dem Sprössling noch wertvolle Tipps geben zu wollen. Girolamo Troppas flotte Skizze „Herkules und Antäus“ ist auch Beispiel hochvirtuoser Zeichenkunst.

Die Ausstellung umfasst wichtige Dokumente. Etwa Ferdinand Franz Wallrafs engagierte Denkschrift „Specification und summarische Werthschäzung der, durch die Habsucht des französischen Volks=und der napoleonischen Regierung der einzigen Stadt Köln entkommenen vorzüglichen Gegenstände verschiedener Kategorien...“

Wallraf-Richartz-Museum Köln; bis 18. August. Di-So 10-18 Uhr. Katalog 15 Euro

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