Filmkritik Pop-Mythos aus dem Schweinestall

Bonn · Der faszinierende Dokumentarfilm „Conny Plank – The Potential Of Noise“ kommt ins Kino. Stephan Plank begibt sich auf die Spuren seines Vaters.

 Eurythmics-Mann mit Hut: Filmemacher Stephan Plank (rechts) mit David A. Stewart. FOTOS: SALZGEBER

Eurythmics-Mann mit Hut: Filmemacher Stephan Plank (rechts) mit David A. Stewart. FOTOS: SALZGEBER

Foto: salz

In Neunkirchen-Seelscheid in der Nähe von Köln ist in den 70er und 80er Jahren Popgeschichte geschrieben worden, in einem ehemaligen Schweinestall. Dort hatte der Klanggestalter und Musikproduzent Konrad „Conny“ Plank (1940-1987) ein Tonstudio eingerichtet. Er begrüßte an diesem abgelegenen Ort Bands wie Ultravox, Killing Joke und die Eurythmics. Plank arbeitete erfolgreich mit den Scorpions, Kraftwerk, Underworld und Les Rita Mitsouko, mit Neu!, Devo und D.A.F., mit Künstlern wie Brian Eno und Gianni Nannini. Eine Anfrage von U2 beschied er negativ. „Ich hab‘ mit dem Herrn Bono gesprochen“, aber man sei nicht zusammengekommen, stellt Plank in einer Szene aus Reto Caduffs und Stephan Planks faszinierender Dokumentation „Conny Plank – The Potential Of Noise“ fest.

Conny Plank ist ein Mythos, sagt der Musikproduzent und Gründer des Labels Mute Records, Daniel Miller. Sein Sohn Stephan war 13, als Plank an Krebs starb. Er sei eine „unscharfe Erinnerung in meinem Gedächtnis“, ein Phantom, hält der Sohn fest. Seine Dokumentation begibt sich unter anderem in Deutschland, England und den USA auf die Spuren eines neugierigen, innovativen und inspirierenden Klangmeisters, einer zentralen Figur des Krautrock und Wegbereiter des elektronisch geprägten Pop. Zugleich sind die 90 Minuten für den Filmemacher Stephan Plank ein Vehikel, um seinem Vater nahezukommen, gewissermaßen die früh abgerissene Verbindung wiederherzustellen.

Er wird erfahren, dass dem Vater die Kunst wichtiger war als der Sohn. Plank sei „kein Traumpapa“ gewesen, erinnert sich Annette Humpe. Kinder seien für ihn nicht das Himmelreich gewesen, befindet die jüngst gestorbene Can-Legende Holger Czukay. Das mag die verhaltene Melancholie des Films von Stephan Plank erklären.

Wo es um den Vater als Künstler geht, steht Heldenverehrung auf dem Spielplan. Caduff und Plank holen eine große Zahl von begeisterten Zeugen vor die Kamera (unter anderem in den Händen von Frank Griebe). Robert Görl von der Band Deutsch Amerikanische Freundschaft (D.A.F.) erklärt, Plank habe bei der Aufnahme eines Songs immer erspürt, „wo genau der heiße Punkt ist“. Er habe, revolutionär für seine Zeit, mit Sampling-Verfahren experimentiert. Plank sei Geburtshelfer für Kraftwerk gewesen und habe die Essenz ihrer Musik zutage gefördert, ist sich der englische Musikjournalist David Stubbs sicher.

Am schönsten beschreibt Midge Ure von Ultravox die Magie Planks. Er habe den Musikern den Song „Vienna“ in einem Bild nahegebracht. Sie müssten das Lied wie die Geschichte eines alten und müden Pianisten in einem leeren Ballsaal gestalten. „Vienna“ wurde ein Welthit. Planks künstlerischer Anspruch war einfach: Er wollte immer nur das Beste, „relevante Kunst“, wie Klaus Meine und Rudolf Schenker von den Scorpions resümieren. Plank schneiderte für jeden Künstler einen perfekt sitzenden Anzug. Der Italienerin Gianna Nannini empfahl er, „cool“ zu sein, den Franzosen Les Rita Mitsouko riet er: „Don’t be too clever.“

Der Mann Conny Plank kommt auch zu seinem Recht: in Aufnahmen mit Sohn Stephan und Lebensgefährtin Christa, immer wieder in geselliger Trink- und Rauchrunde. „Beim Conny hat man sich wohlgefühlt“, bringt es Robert Görl auf den Punkt.

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