CD-Tipp Pianist Jingge Yan veröffentlicht Beethoven-Zyklus

Bonn · Der Pianist Jingge Yan, Beethoven-Competition-Sieger von 2011, legt einen fulminanten Beethoven-Zyklus vor. Seine Bewunderung für für Beethoven und seine Musik ist groß.

 Konzentration am Flügel: Pianist Jingge Yan während der Aufnahme im Beethoven-Haus. FOTO: FONTENAYCLASSICS

Konzentration am Flügel: Pianist Jingge Yan während der Aufnahme im Beethoven-Haus. FOTO: FONTENAYCLASSICS

Foto: fontenayclassics

Kurze Zeit nach seinem Sieg bei der International Telekom Beethoven Competition im Jahr 2011 bestätigte der chinesische Pianist Jingge Yan seinen Rang als Beethoven-Interpret mit einer fulminanten Aufnahme der Diabelli-Variationen. Das Album war ein Versprechen, das er nun mit der Einspielung sämtlicher 32 Klaviersonaten des Bonner Komponisten einlösen will. Gerade ist die erste Lieferung mit drei CDs erschienen, auf der die sechs letzten Klaviersonaten versammelt sind sowie die Nr. 4 in Es-Dur op. 7, die Nr. 24 in Fis-Dur op. 78 („À Thérèse“), die zwei leichten Sonaten op. 49 und die in G-Dur op. 79.

Man kann mit einiger Berechtigung von einem Bonner Zyklus sprechen. Denn 2015 ist der Pianist zum „Botschafter des Beethoven-Hauses und der Beethovenstadt Bonn“ ernannt worden. Dass er für die insgesamt drei Aufnahme-Sessions 2016 und 2017 den Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses ausgewählt hat, ist das eigentlich nur konsequent. „Ich mag diesen Saal sehr“, erzählt Yan. Und dass sein Zyklus gleich neben Beethovens Geburtshaus entstanden ist, übt auf den Pianisten natürlich einen zusätzlichen Reiz aus.

Die Bewunderung Yans für Beethoven und seine Musik ist groß. Er schätzt an dem Menschen und Musiker, dass er trotz aller Widrigkeiten des Lebens „am Ende immer zu einer positiven Botschaft findet“. Der laute Jubel der neunten Sinfonie ist dafür ein ebenso prägnantes Beispiel wie die leise Freude, die sich etwa im dritten Satz des Streichquartetts in a-Moll op. 132 artikuliert, wenn die Streicher den „Heiligen Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart“ anstimmen. „Bei Beethoven finden wir immer wieder Humor und Freude“, sagt Yan, der das Bild des allzu ernsten Meisters mit seinen Aufnahmen gern ein bisschen relativieren möchte.

Und tatsächlich: Wenn der Pianist in der Klaviersonate in e-Moll den zweiten Satz spielt, den Beethoven mit der Vortragsbezeichnung „Nicht zu geschwind und sehr singbar vorgetragen“ überschreibt, hört man in seinem Spiel Lebensfreude pur. Vielleicht noch deutlicher wird dies im Finalsatz der Sonate in A-Dur op. 101, deren lebhafter Ausdruck wie eine Befreiung klingt, der Satz quillt nachgerade über vor Freude und Humor. Dabei ist er – vor allem im fugierten Mittelteil – technisch extrem anspruchsvoll. Das hindert diesen fabelhaften Pianisten nicht daran, die Leichtigkeit des Ausdrucks gänzlich unbeschwert herüberzubringen.

Eine Demonstrationtechnischen Könnens

Beethovens op. 101 steht in der Wahrnehmung freilich immer ein wenig im Schatten der monumentalen „Hammerklaviersonate“ in B-Dur op. 106 und der Trias der letzten drei Klaviersonaten op. 109-111, die für jeden Pianisten immer noch eine riesige Herausforderung sind. Jingge Yan meistert sie völlig souverän, wenn er den ersten Satz der „Hammerklaviersonate“ mit hohem Tempo beginnt. Im weiteren Verlauf gewinnt dieser Satz durch die Tempogestaltung des Pianisten, der sich nicht sklavisch ans Metrum hält, sondern die Musik atmen lässt.

Das Adagio wird unter seinen Händen zu einer 18-minütigen Meditation, die nicht eine Sekunde lang an innerer Spannung verliert. Und die gewaltige Fuge am Ende dieser längsten aller Beethoven-Sonaten ist eine Demonstration technischen Könnens und intellektueller Durchdringung. Jingge Yan, der für die Aufnahmen einen Flügel der Marke Grotrian-Steinweg im Kammermusiksaal aufgestellt hat, verleiht dem kontrapunktischen Satz ein Höchstmaß an Durchsichtigkeit.

Nicht weniger gewachsen zeigt sich der 1986 in Peking geborene Musiker den letzten drei Klaviersonaten Beethovens, die das Ergebnis der Befreiung aus einer längeren Schaffenskrise sind. Vor allem die Stimmung der Sonate in E-Dur op. 109 scheint das widerzuspiegeln. Doch Jingge Yan spürt auch die ernsten, tiefen und tragischen Momente in diesen Sonaten auf, etwa im „Adagio ma non troppo“, das der finalen Fuge aus der Sonate in As-Dur op. 110 vorausgeht. Vor allem aber im sehr artikuliert gespielten, extrem leidenschaftlichen Gestus im ersten Satz der Sonate in c-Moll op. 111. Die himmlische Arietta mit ihren Variationen, deren auskomponierte Auflösungstendenzen nach dem Ausbruch der dritten Variation hat er wunderbar nachgestaltet.

Nach diesen drei CDs darf man sich schon auf die noch ausstehenden zwei Lieferungen freuen, die bis zum nächsten Jahr erscheinen sollen. Bis dahin ist der in Salzburg lebende und am dortigen Mozarteum beschäftigte Jingge Yan weiter als Botschafter Beethovens unterwegs. Derzeit bereitet er in Zusammenarbeit mit der Telekom einen Wettbewerb in Bonns chinesischer Partnerstadt Chengdu vor. Der Beste wird sich mit seinem Sieg automatisch für die Beethoven Competition in Bonn 2019 qualifizieren.

Ludwig van Beethoven: Klaviersonaten, Jingge Jan (Klavier), 3 CDs (Fontenay Classics)

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