Abschiedstour Paul Simon steht vor seiner letzten Welttournee

New York · Paul Simon wird im Sommer auch nach Europa kommen. Deutschland steht bislang noch nicht auf dem Plan. Auf seinem aktuellsten Album „Stranger To Stranger“ (2016) erweist er sich als kluger Soundtüftler.

 Paul Simon bei einem Auftritt vor zwei Jahren in Madrid.

Paul Simon bei einem Auftritt vor zwei Jahren in Madrid.

Foto: dpa

"Ich sitze in einem Bahnhof. Habe die Fahrkarte für mein Ziel.“ So beginnt, ohne die lyrische Leichtigkeit des Originals übersetzt, eine der schönsten Hymnen über Sehnsucht, Heimweh und Einsamkeit, die jemals komponiert wurden. Paul Simon hat sie vor fast 50 Jahren im zugigen Widnes-Bahnhof in Merseyside/England geschrieben, als er auf den Morgen-Zug nach London wartete.

„Homeward Bound“ ist auch der Titel der (aller)letzten großen Tournee, die der 76-Jährige im Spätfrühling im kanadischen Vancouver beginnt. Danach geht der trotz 100 Millionen Plattenverkäufen immer an sich zweifelnde Poet unter den amerikanischen Songwritern, der das Americana-Liederbuch mit Preziosen wie „Sound of Silence“, „The Boxer“, „Bridge over Troubled Water“, „Mrs. Robinson“ oder „Cecilia“ bereichert hat, in Rente.

„Ich habe mich oft gefragt, wie es sich anfühlen würde, den Punkt zu erreichen, an dem ich erwäge, meine Musikkarriere zu einem natürlichen Ende zu bringen“, schrieb der in New York aufgewachsene Gigant, der trotz bescheidenen 1,55 Meter Körpergröße seinen ewigen Hass-Liebe-Partner Art Garfunkel künstlerisch stets um Leuchtturmlänge überragte, in einer Art Abschiedsbrief an seine Fans, „jetzt weiß ich: Es fühlt sich ein wenig beunruhigend an, ein Hauch erheiternd und ein wenig erleichternd. Ich liebe es, Musik zu machen, meine Stimme ist immer noch stark, und meine Band ist eine verschworene, außergewöhnliche Gruppe von begabten Musikern. Ich denke ständig an Musik. Ich bin sehr dankbar für eine erfüllte Karriere und natürlich vor allem für das Publikum, das in meiner Musik etwas hörte, das ihre Herzen berührt hat.“

Überraschend kommt der Rücktritt nicht. Schon vor zwei Jahren hatte der 16-fache Grammy-Preisträger Journalisten in den Block diktiert, dass er am „Showbusiness keinerlei Interesse“ habe. Und dass der Tournee-Stress dem Familienleben mit seiner Frau, der texanischen Folk-Sängerin Edie Brickell (51), und den drei gemeinsamen Kindern nicht wirklich gut tue.

Wer das Glück hat und im in diesen Tagen beginnenden Vorverkauf für die neun Europa-Konzerte zwischen Ende Juni und Mitte Juli ein Karte ergattert (Deutschland ist bisher nicht auf der Tour-Liste), den erwartet ein entspannt, elegant, souverän und zeitlos kitschfrei vorgetragenes Lebenswerk.

Seinen ersten Song (The Girl For Me) komponierte Simon mit 13. Das war 1954. Drei Jahre später, inzwischen hatte der Sohn eines ungarisch-jüdischen Bassgeigers in der Schule in Forrest Hills den Mitschüler Art Garfunkel kennengelernt, brachte er unter dem Namen „Tom & Jerry“ die erste gemeinsame Single heraus: „Hey Schoolgirl“.

Der erste echte Erfolg ließ aber noch fast zehn Jahre auf sich warten. „The Sound of Silence“, bereits auf der 1964 erschienenen Debut-LP „Wednesday Morning 3 A.M.“, wurde 1966 neu arrangiert zum Nummer-eins-Hit in den USA. Danach reihte sich Mega-Erfolg an Mega-Erfolg. Lieder wie „America“ oder „Bridge Over Troubled Water“ entfalteten für die schrundige Seele des von den Morden an den Kennedy-Brüdern, Martin Luther King und dem Vietnam-Krieg erschütterten Amerika die Wirkung von Heilbädern. Obwohl der Biograf Marc Eliot einmal so treffend schrieb, dass das Publikum von „Simon & Garfunkel“ vorwiegend „aus Jungen bestand, die sich in einem eher schwierigen Lebensabschnitt befanden, und Mädchen, die trotzdem oder vielleicht gerade deshalb auf diese Jungen standen“.

Nur vier Jahre später war die kongeniale Verbindung, hier der spröde Simon, dort der glockenhelle Tenor Garfunkel, im Streit explodiert. Und Simon startete getreu dem Motto in „The Boxer“ – I am leaving, I am leaving, but the fighter still remains – eine Solo-Karriere, der sich Perlen wie „50 Ways To Loose Your Lover“ verdanken.

Zeit seines Schaffens blieb der immer von poetischer Klarheit geprägte Künstler ein Forschungsreisender in Sachen Worldmusic. In den 80er Jahren integrierte er erfolgreich Sounds aus Afrika (Graceland) und Brasilien in seinen Kanon. Auch auf seinem aktuellsten Album „Stranger To Stranger“ (2016) erweist er sich als kluger Soundtüftler. „Still Crazy After All These Years“, der Titel eines der Jahrhundert-Songs aus seiner Feder, wird auch weiter das Lebensmotto des ewigen Zweiflers bleiben.

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