Kulturkreis Bonn Ozean der Möglichkeiten

Bonn · Bühne frei für Kultur und Wirschaft beim kulturpolitischen Aschermittwoch des Kulturkreises in der Bonner Oper. Vortrag von Franziska Nentwig.

Im Jahr zwei nach dem Aus fürs Bonner Festspielhaus ist der Kulturkreis Bonn noch immer auf der Suche nach einem großen kulturpolitischen Thema. Seit der Gründung im Jahr 2010 hieß das: Festspielhaus. Die letzten Initiativen – einmal pro Beethoven Orchester, einmal pro Frauenmuseum – liegen Jahre zurück. Gleichwohl: Man trifft sich traditionell und pünktlich zum kulturpolitischen Aschermittwoch. Diesmal nicht im Kunstmuseum, sondern auf der Bühne der Oper, wo das Kulturbündnis, das 62 Bonner Kulturfördervereine mit 25 000 Mitgliedern vereinigt, gestern Abend Vor- und Rückschau hielt.

Hausherr Bernhard Helmich gab sich demonstrativ entspannt – ohne die „Kämpfe und unseligen Sinnfragen“ seiner Anfangszeit in Bonn. Der Generalintendant sieht eine „neue Gemeinsamkeit“ unter den Bonner Kulturinstitutionen angesichts des Jubiläumsjahres 2020: „Eine ganz große Chance, etwas zu erreichen, was diese Stadt prägen könnte.“ Schöner Konjunktiv. Ulrich Bumann, einer der Sprecher des Kulturkreises, mochte sich der Euphorie nicht ganz anschließen. Er kritisierte das „Schachern und Pokern um die Zukunft des Deutschen Museums Bonn“ und fragte sich und die rund 120 Gäste aus Kultur, Politik und Wirtschaft: „Was läuft da schief, wenn das Euro Theater Central bedroht ist?“ In einer Stadt, die sich so international gebe?

Franziska Nentwig, acht Jahre lang Generaldirektorin der Stiftung Stadtmuseum Berlin und seit 2015 Geschäftsführerin des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, war die Rednerin des Abends. Ihr Thema kam als Frage daher: „Von Kulturkreis zu Kulturkreis: Kultur und Wirtschaft – Partner fürs (Über)Leben?“ Ihre streckenweise hochpolitische und erwartungsgemäß durchaus wirtschaftsfreundliche Rede bot eine Tour d'Horizon durch die Kulturförderlandschaft Deutschland.

„Im ersten Impuls sind wir alle sicher gewillt zu sagen: Natürlich braucht die Kultur die Wirtschaft – denn sie braucht ihr Geld!“, meinte die promovierte Musikwissenschaftlerin, die als Direktorin des Eisenacher Bachhauses und Mitglied des Direktoriums des Hygiene-Museums Dresden einschlägige Erfahrungen gemacht haben muss, und wies auf die Situation der Städte und Gemeinden hin, die mit rund 45 Prozent den größten Anteil der öffentlichen Kulturförderung schultern. „Sie sind von der Schuldenbremse am stärksten betroffen.“ Nentwig prognostiziert, dass allein schon aus finanzieller Hinsicht Partnerschaften zwischen Kulturinstitutionen und Wirtschaftsunternehmen in Zukunft noch wichtiger würden. Das dürfe aber nicht dazu führen, „dass die Wirtschaft bisherige Leistungen der öffentlichen Hand für Kulturaufgaben substituiert“. Stiftungen sollen „staatliches Handeln ergänzen, nicht aber ersetzten“.

Durchaus witzig ging Nentwig auf die Spannungen zwischen Kultur und Wirtschaft ein. Da mokierte sich etwa Hans Magnus Enzensberger 1961 über die „Herren Mäzene“ und die Scheckübergabe an Künstler mit „peinlichem Zeremoniell“. Nentwig lobte das Engagement der Wirtschaft auch in finanziell angespannten Zeiten: „Gerade dann an privater Kunst- und Kulturförderung festzuhalten, wenn’s schwierig ist: Das ist Haltung!“ Und sie plädierte für Partnerschaften auf Augenhöhe.

Dass Kunst die Wirtschaft brauche, steht für Nentwig fest, aber „Wozu braucht eigentlich die Wirtschaft Kunst und Kultur?“ Als Antwort zitierte sie Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung der Trumpf GmbH: „Unser Land lebt nicht nur von der Leistung kluger Ingenieure. Es braucht auch Künstler und die künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen unserer Zeit, wenn wir uns immer wieder der Grundlagen unseres Zusammenlebens versichern und neue Impulse bekommen wollen.“

Zuletzt kam Nentwig auf die digitale Revolution zu sprechen: „Was für ein Ozean aus Möglichkeiten, auch für den Dialog zwischen Kultur und Wirtschaft, ergibt sich hieraus – wenn wir das richtig zu nutzen verstehen! Wir sind hier, glaube ich, alle noch sehr am Anfang.“

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