Premiere im Staatenhaus Die letzten Stunden der Geschwister Scholl

Köln · Udo Zimmermanns „Weiße Rose“ ist ein Klassiker des neueren Musiktheaters. Die Kölner Oper zeigt eine beeindruckende neue Sicht auf das Werk.

 Erleuchtet: Claudia Rohrbach und Wolfgang Stefan Schwaiger als Sophie und Hans Scholl.

Erleuchtet: Claudia Rohrbach und Wolfgang Stefan Schwaiger als Sophie und Hans Scholl.

Foto: Leclair

Im Jahr 1943 wurde der Komponist Udo Zimmermann in Dresden geboren. Dass im selben Jahr die Geschwister Sophie und Hans Scholl als Mitglieder der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ von dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler nach nur viertägiger Haft wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, hat sicherlich die emotionale Nähe verstärkt, die Zimmermann für sie entwickelt hat. Seine Kammeroper „Weiße Rose“ aus dem Jahr 1986, die von den letzten Stunden Sophie und Hans Scholls vor ihrem Tod unter der Guillotine handelt, ist ein aufwühlendes Werk, eines freilich, das auf plakative Schockmomente nahezu ganz verzichtet.

Mit solchen Effekten hält sich auch die junge Regisseurin Niki Ellinidou in ihrer Kölner Inszenierung des Werkes sehr zurück. Mit ihrem Konzept für die „Weiße Rose“ hatte Ellinidou den Europäischen Regiepreis gewonnen, mit dem die Umsetzung des Werkes für die Kölner Oper einherging. In ihrer Arbeit gibt es keine Nazi-Schergen in schwarzen Uniformen, auch kein Fallbeil ist zu sehen.

Ellinidous Bühnen- und Kostümbildnerin Nefeli Myrtidi hat für sie einen abstrakten Raum entworfen und dazu im weitläufigen Saal 3 im Staatenhaus einen kleinen Theaterraum für 200 Zuschauer abgezirkelt, die auf eine schwarze Wandfläche mit einem ausgeschnittenen kleinen Bühnenraum schauen. Links seitlich vor der Bühne ist Platz für die 15 Musiker des Gürzenich-Orchesters. Es ist, wie sich zeigt, ein beeindruckend gut funktionierender Rahmen für die 16 assoziativ verbundenen Szenen dieser Kammeroper, für die Ellinidou starke Bilder findet.

Momente poetischer Schönheit

Wenn Sophie zur Musik irgendwann zu tänzeln beginnt, während vom Bühnenhimmel feiner Sand auf sie niederrieselt, denkt man ebenso an die Sandkastenspiele der Kindheit zurück wie auch an die rasch verrinnende Lebenszeit der Geschwister. Sophie trägt ein Kleid in unschuldigem Weiß, als wäre sie selbst die weiße Rose, ein blutroter Schal umschlingt ihren Hals.

Es gibt viele solcher Momente voll poetischer Schönheit, denen zugleich immer auch etwas zutiefst Verstörendes eigen ist. Die gebeugten Schatten, die sich auf der hinteren Bühnenwand wie Bilder von Todgeweihten abzeichnen, ebenso wie der Schatten der Mutter, die sich Sophie schließlich doch entzieht. Auch die hell leuchtende Birne, die immer wieder das Geschehen in der Gefängniszelle ausleuchtet, und das kleine Wasserbassin eröffnen Raum für Assoziationen.

Hinzu kommt das intensive Spiel der beiden großartigen Darsteller, der Sopranistin Claudia Rohrbach (Sophie) und des noch jungen Baritons Wolfgang Stefan Schwaiger (Hans), die dem Schicksal ihrer Figuren buchstäblich eine Stimme geben. Sie singen ausdrucksstark und bewegend, in ihrem Spiel wird die Einsamkeit der beiden ebenso deutlich wie das Glück des Zusammenseins in den letzten Stunden ihres kurzen Lebens.

Zimmermanns Kammeroper, für die Wolfgang Willaschek Briefstellen der Geschwister mit Texten von Dietrich Bonhoeffer, Franz Fühmann und Tadeusz Rózewicz verwob, zählte in den Jahren nach ihrer Aufführung zu den erfolgreichsten Musiktheaterwerken ihrer Zeit, mehr als 200 Inszenierungen wurden bislang gezählt. Und auch wenn sie derzeit nicht mehr ganz so häufig gespielt wird, spricht das nicht gegen sie. Die über weite Strecken sehr kantable Musik, die sich in enggeführten Streicherlinien oder harten, metallischen Schlägen auch zu expressiven Momenten verdichtet, findet in den Gürzenich-Musikern unter Leitung von Arne Willimczik ideale Interpreten. Großer Applaus nach 100 intensiven Minuten.

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