Ein Abschied mit Stil Neues Album von Paul Simon ist erschienen

Bonn · Altmeisterliche Leichtigkeit: Paul Simons neues und vermutlich letztes Album „In The Blue Light“ präsentiert altes Songmaterial in neuem Gewand.

 This cover image released by Legacy Recordings shows "In the Blue Light," the latest release by Paul Simon.

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Foto: Legacy Recordings via AP

Sie heißen beide Paul mit Vornamen, sind 76 Jahre alt und haben am vergangenen Freitag neue Alben veröffentlicht. Der ein paar Monate Ältere, Paul Simon, hat „In The Blue Light“ herausgebracht. Der andere Mann, Paul McCartney, hat sich mit „Egypt Station“ zurückgemeldet. Paul Simon hat nach dem glanzvollen Album „Stranger To Stranger“ 2016 gespürt, dass er als begnadeter Songschreiber am Ende war: ausgeschrieben, von den Musen verlassen.

Deshalb hat er als Abschiedsgeste altes Songmaterial neu arrangiert. Paul McCartney hingegen will mit den Stücken auf „Egypt Station“ geradezu jugendliche Kreativität (und Virilität) unter Beweis stellen. Ein Kritiker hat es so formuliert: Paul Simon weiß, dass er sterben muss. Paul McCartney will nicht sterben.

Verständlich, dass sich keine Stücke wie „Still Crazy After All These Years“ auf dem neuen Album finden. Die 14. Soloplatte des einflussreichen Musikers Simon bietet zehn zwischen 1973 und 2011 entstandene Lieder.Er hat sie einer faszinierenden Neuinterpretation unterzogen.

Simon konnte Jazz-Giganten für Platte gewinnen

Der Klang des Albums ist eine Wucht, er sollte sich mithilfe einer anspruchsvollen Anlage entfalten und sich nicht aus kleinen Streamingboxen quälen. Zu den Gastmusikern, die auf „In The Blue Light“ mitspielen, zählen die Jazz–Giganten Wynton Marsalis (Trompete), Bill Frisell (Gitarre), Jack DeJohnette und Steve Gadd (beide Schlagzeug). Die Songs „Can’t Run But“ und „Rene And Georgette Magritte With Their Dog After The War“ wurden mit den sechs Mitgliedern des New Yorker Kammermusikensembles „yMusic“ eingespielt, das Paul Simon derzeit auf seiner „Farewell Tour“ begleitet.

Es ging Simon darum, „Lieder, die ich für fast gut genug hielt oder die so seltsam waren, dass sie beim ersten Mal überhört werden konnten“ in neuem Gewand zu präsentieren. Es gibt hier also nichts von Simon & Garfunkel, nichts von „Graceland“ zu hören. Dafür das 45 Jahre alte „One Man's Ceiling Is Another Man's Floor“ im New-Orleans-Stil, mehrere Lieder vom seinerzeit untergegangenen Album „You're The One“ (2000) oder „Questions For The Angels“ (2011).

Simon singt diese Stücke zu jazzigen, bluesigen, auch mal dezent orchestralen Arrangements mit seiner sanften, samtenen Stimme zum Niederknien schön. Die Songs gewinnen Tiefe, eine altmeisterliche Leichtigkeit und beschwingte Gravität. Mit „In The Blue Light“ markiert Simon ein würdevolles Karriereende. Mag sein, dass er sich das noch einmal überlegt und seine „Farewell Tour“ – ganz im Sinn des Literaturnobelpreisträgers Bob Dylan – in eine „Never Ending Tour“ umfunktioniert.

Schön wär's ja.

Paul Simon: „In The Blue Light“. Legacy/Sony.

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