Poesie und Widerstand Neue CD von Konstantin Wecker

Genug ist nicht genug: Konstantin Wecker hat 31 Lieblingslieder neu eingespielt. Die haben nichts von ihrer Klasse eingebüßt.

 Mann mit Vergangenheit und Zukunft: Der Sänger und Liedermacher Konstantin Wecker. FOTO: DPA

Mann mit Vergangenheit und Zukunft: Der Sänger und Liedermacher Konstantin Wecker. FOTO: DPA

Foto: picture alliance / Ursula Düren/

Nein, singt Konstantin Wecker, „ich hör nicht auf zu träumen / von der herrschaftsfreien Welt, / wo der Menschen Miteinander / unser Sein zusammenhält“. Herrschaftsfreie Welt, aha. Das formuliert einer, der in seinen Texten gern den Imperativ bemüht und den Menschen bis ins kleinste Detail vorgibt, wie sie zu leben haben – und wie nicht. Der Liedermacher Konstantin Wecker, gerade 70 geworden, praktiziert das auf seinem Doppelalbum „Poesie und Widerstand“ mit gewohnter Wucht.

„Sage Nein“ heißt gleich das zweite Stück, „Empört euch“ das vierzehnte. „Sage Nein“ ist eine Reaktion auf extrem rechte Positionen. Dagegen, stellt der Sänger fest, muss man etwas tun: „Dann steh auf und misch dich ein: / Sage Nein!“ Und: „Mach dich stark und misch dich ein, / Zeig es diesem dummen Schwein: / Sage Nein!“ Imperativ kann der 1947 in München geborene Wecker.

Der Song „Empört euch“ bedient antikapitalistische Affekte: „Empört euch, / beschwert euch / und wehrt euch, / es ist nie zu spät!“ Das könnte ganz furchtbar klingen, doch im Fall von Konstantin Wecker paart sich politisches Engagement mit poetischer Kraft und musikalischer Fantasie.

Wecker ist der große Kümmerer des deutschen Liedermacherwesens. Er hat alles im Blick. Gestern waren es die sterbenden Bäume und die zerbrechenden Beziehungen, Kriege und Umweltkatastrophen, danach kamen die neuen Nazis und die alten Lügen über Ausschwitz an die Reihe.

Der Liedermacher ist Schwerstarbeiter deutscher Betroffenheit und Anwalt bedrohter Minderheiten. Für Schwarze und Schwule hat er sich bei Gelegenheit starkgemacht. In seinen Liedern bevorzugt er nach wie vor die seit 50 Jahren bewährte ästhetisch-emotionale Mischung aus Wut und Zärtlichkeit. In dem Lied „Wut und Zärtlichkeit“ hat er ein Selbstporträt gemalt: „Hab mich niemals an Gesetze, / Dogmen oder Glaubenssätze, / Führer, höhere Gewalten / ohne Widerspruch gehalten. / Und mich führ'n auf meiner Reise / zum Verstehen viele Gleise. / Zwischen Zärtlichkeit und Wut / tut das Leben richtig gut.“

Wecker wälzt in seinen Liedern Probleme, unterkriegen lässt er sich jedoch nicht. Insbesondere wenn der Sommer nicht mehr weit ist, begegnet er den Widrigkeiten des Alltags seit jeher mit utopischen Hoffnungen, Sinnlichkeit und dem Hunger nach Leben. Deshalb wohl schätzen, nein: lieben ihn seine Fans. Zwischen dem Mann, der sagt, was er denkt, und tut, was er will, und seinem Publikum findet im Konzert auf magische Weise immer ein Krafttransfer statt. Das muss man erlebt haben. Am 23. Oktober spielt Wecker wieder einmal in der Kölner Philharmonie.

Seine beste Zeit hatte er in den 1970er Jahren , in denen die Langspielplatten „Ich lebe immer am Strand“ und „Genug ist nicht genug“ erschienen sind. Es spricht für ihn, dass er nicht in der Vergangenheit stehengeblieben ist, auch wenn später manches Lied kraftlos, sogar steril anmutete.

„Poesie und Widerstand“, die Jubiläums-Edition zum 70. Geburtstag, versammelt 31 Lieblingslieder des Künstlers – und präsentiert sie in neuem Gewand. Wecker hat die Stücke solo, im Trio, mit Band und mit Orchesterarrangements live im Münchner Tonstudio eingespielt. Er hat sich damit nicht neu erfunden, aber Liedern wie „Der alte Kaiser“, „Ich singe, weil ich ein Lied hab'“ und „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ eine Lebendigkeit und Präsenz eingeimpft, die zweierlei spiegeln: die nicht nachlassende Kondition des künstlerischen Kraftmenschen Wecker und die Klasse seiner Songs. Zahlreiche Musiker haben an dem Projekt mitgearbeitet. Mitsänger waren Angelika Kirchschlager, Gaby Moreno und Pippo Pollina. Das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie unter Mark Mast hat sich wirkungsvoll eingebracht. Mit dem Ergebnis kann das Geburtstagskind zufrieden sein. Mit 70 steht er gut da: ein Mann mit großer musikalischer Vergangenheit und einer vielversprechenden Zukunft.

Konstantin Wecker: Poesie und Widerstand. 2 CDs. Sturm & Klang.

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