Mit Kubrick durch Zeit und Raum Neue Ausstellung über Architektur in der gkg

Bonn · Architekturvisionen von Uwe Schöder und ein Kalendarium von Martella Guitiérrez, Andreas Reichel und Michael Denhoff werden in der Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung ausgestellt.

 Irritierende Vision: Uwe Schröders Collage „New York, New York...: Kubrick VIII“ aus dem Zyklus „Monolith“.

Irritierende Vision: Uwe Schröders Collage „New York, New York...: Kubrick VIII“ aus dem Zyklus „Monolith“.

Foto: Schroeder

"Das neue jahr ist wie ein frisch bezogenes bett. die weiße wäsche glatt und gestrafft, mont blanc, und unberührt wie frisch gefallener schnee. das ist ein wunderschön wohliges moment. du stehst davor als wäre das bild ein teil von dir. ich bin der erste mensch vor diesem weiß.“ Zu diesem Notat von Andreas Reichel erklingt 15 Sekunden lang ein verlöschender Akkord von Michael Denhoff, und man sieht ein Bild mit kurzen horizontalen Farb- und Lichtspuren von Martella Guitiérrez. So poetisch kündigt sich das Jahr 2016 an. Es beginnt mit „habe heute erstmal vor der eigenen tür gekehrt“, abgehackten, zischenden Geräuschen und in Bewegung geratenen Lichtschlieren. Und es endet mit „ja, wie du schon erwähnt hast, es geht immer noch weiter und es gibt immer ein nachspiel. der schlamm und die schlacht. schon heute guckt durch die frische tünche das alte wieder durch“, den Zahlen des Jahres, dem Klicken des Feuerzeugs und dem Sound einer sprühenden Wunderkerze.

Für jeden Tag des Jahres 2016 haben die drei Künstler je ein Statement zum Kalender beigesteuert. Entstanden ist eine spannende Reise durchs Jahr, die sich in der Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (gkg) als eine Abfolge mehrerer umlaufender Friese manifestiert, deren einzelne Tagebucheintragungen aus einem Foto, einem Text und dem QR-Code bestehen, der mit dem Smartphone erfasst werden kann und dann Denhoffs Ton hörbar macht. Wer sich weiter in das Projekt „Aus dem Laufenden“ vertiefen will, kann das ganze Jahr auch bequem auf Denhoffs Homepage durchstreifen, sich an Reichels Haiku-artigen Momentaufnahmen, an Gutiérrez' Fotos von Details, Mustern und Strukturen sowie an Denhoffs akustischen Miniatur-Fundstücken erfreuen.

Unbekannte Facetten von Uwe Schöder

Parallel zeigt die gkg eine eher unbekannte Facette des Bonner Architekten Uwe Schröder, der sich im Rahmen des Projekts „Monolith“ mit Collagen präsentiert. Es geht um den Ort der Architektur und die Debatte darüber, ob Orte und Architekturen frei austausch- und kombinierbar sind, oder sich jede Architektur mit ihrem jeweiligen Ort auseinandersetzen muss. Schröder macht daraus – zumindest in der gkg – keine architekturphilosophische, theoretische Erörterung, sondern lässt Bilder und kühne Visionen sprechen.

Wie im Science-Fiction-Klassiker „Independence Day“ erblickt man raumschiffartige Kolosse, die bedrohlich über Mailand, Paris, New York oder Schanghai schweben, in Chicago, Dubai oder im Dschungel gelandet sind. Wer genau hinsieht, erkennt, dass es keine Raumschiffe sind, sondern seltsam mutierte oder multiplizierte Geschwister von Mies van der Rohes IBM-Hochhaus in Chicago, ein Architekturklassiker des International Style aus den 1970er Jahren.

Als Mies 1968 an den Entwürfen saß, drehte Stanley Kubrick gerade seinen Meilenstein des Science-Fiction-Kinos, „2001: Odyssee im Weltraum“, in dem der Regisseur schwarze, quaderförmige Monolithe auftreten ließ, die der Architektur von Mies verblüffend ähneln. Kubricks Kuben sind nach wie vor rätselhaft, sie sind Eindringlinge, Störfaktoren, geben etwa den Hominiden im Film den Impuls, Werkzeuge und Waffen zu bauen, tauchen im Verlauf der „Odyssee“ immer wieder auf.

Ebenso in Schröders Collagen, die Stanley Kubricks Monolith mit Mies van der Rohes Hochhaus verschmelzen lassen. Im Gespräch mit dem Vorstandsmitglied der gkg Andreas Denk, das im lesenswerten Katalog dokumentiert ist, rekapituliert Schröder die Bestrebungen der Architektur der letzten hundert Jahre, sich gerade der äußeren Einflüsse zu entledigen, „um möglichst unabhängig von Ort, von Gesellschaft, von Geschichte freie architektonische Gestaltungen entwickeln zu können“. Schröder weiter: „Das war eine Antwort auf die immer neue Frage danach, wie die Architektur in ihrem Kern beschaffen sein muss. Heute müssen wir eine neue suchen ...“

Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (gkg), Hochstadenring 22; bis 21. Januar. Mi-Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-17 Uhr. Sonntag, 7. Januar: Neujahrsempfang der gkg um 11 Uhr mit Michael Denhoffs „Klangstücken aus dem Umfeld des Kalendariums“. Dokumentation: www.denhoff.de. Zu Uwe Schröders Ausstellung ist ein Katalog (Verlag der Buchhandlung Walther König) erschienen (16.80 Euro).

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