Interview mit Ulrich Kelber Nationale Aufgabe

Bonn · GA-Gespräch mit dem Bonner Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber: Wie das Beethoven-Jubiläum in den Koalitionsvertrag kam.

Herr Kelber, Deutschland und die Stadt Bonn stimmen sich ab dem kommenden Jahr bis 2020 über vier Jahre auf den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven ein – mit Geld vom Bund. Wie schwer war es in den Koalitionsverhandlungen 2013, den Bund für dieses Jubiläum zu begeistern?

Ulrich Kelber: Wir wussten ja 2013 als Bonner, dass wir den Bund neben dem Land Nordrhein-Westfalen brauchen. Jedem war klar: Wir benötigen für ein würdiges Jubiläum eine große Summe Geld vom Bund bei gleichzeitig begrenzten Mitteln des Bundes für die Kultur insgesamt.

Beethoven und Bonn hatten also Konkurrenz?

Kelber: Auch andere wichtige Kulturprojekte wollten Geld vom Bund. Das Lutherjahr stand an, das bis 2017 läuft. Auch für das Bauhaus-Jubiläum sollte der Bund nicht nur Pate stehen, sondern Geld geben. Um große Investitionen in diversen Museen wurde gerungen und mit dem Bund gefeilscht. Und dann kamen noch die Bonner und wollten Geld für das Beethoven-Jubiläum. Das stieß selbstverständlich nicht bei allen auf offene Ohren.

Wer hat denn nun das Copyright auf die Idee, Beethoven als nationale Kulturaufgabe vorzuschlagen?

Kelber: Ich kenne nicht alle Väter und Mütter dieser Idee. Auf mich kam erstmals Stephan Eisel, Vorsitzender der „Bürger für Beethoven“, mit diesem Vorschlag für den Koalitionsvertrag zu. Ich fand das wirklich klasse und habe es so in die Verhandlungen eingebracht.

Das Beethoven-Jubiläum als nationale Aufgabe, da haben die Kollegen der Arbeitsgruppe Kultur in den Koalitionsverhandlungen mit Blick auf die Förderung von Museen in den eigenen Wahlkreisen aber gejubelt?

Kelber: Die waren natürlich nicht alle begeistert, schließlich hatte der eine oder andere viel für die Interessen seines Wahlkreises investiert, da muss man nur an die lange Liste der Berliner Kulturprojekte im Koalitionsvertrag denken. Und jetzt kamen als Konkurrenz die Bonner mit Ludwig van Beethoven. Da sahen einige im Falle einer Zusage des Bundes für das Beethoven-Jubiläum natürlich Geld für eigene Kulturprojekte und Museen schwinden. Also haben die sich gesperrt und wollten erst mal Beethoven überhaupt nicht im Koalitionsvertrag erwähnen.

Und dann?

Kelber: Ich hatte den Vorteil, als Vorsitzender einer Arbeitsgruppe auch Mitglied des Lenkungsausschusses der SPD für die Koalitionsverhandlungen zu sein. Obwohl bei CDU/CSU und SPD das Beethoven-Jubiläum als Vorschlag in die Gespräche eingespeist worden war, fand es sich zunächst nicht in dem zwischen den Parteien ausverhandelten Entwurf des Kulturkapitels für den späteren Koalitionsvertrag wieder. Im SPD-Lenkungsausschuss habe ich dann noch mal deutlich gemacht: Das Beethoven-Jubiläum muss als nationale Aufgabe in den Koalitionsvertrag. Dort gab es zunächst erneut Widerstand aus der Kulturarbeitsgruppe, bis Sigmar Gabriel entschied: Die SPD will das Beethoven-Jubiläum als nationale Aufgabe im Koalitionsvertrag.

Wer hat dann am Ende das flammende Plädoyer für Beethoven gehalten?

Kelber: Man glaubt es kaum: Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, hatte die Aufgabe, als Berichterstatter der Arbeitsgruppe das Kulturkapitel in der großen Koalitionsrunde vorzustellen und hielt ein überzeugendes Plädoyer für das Beethoven-Jubiläum als nationale Aufgabe. Angela Merkel musste in diesem Moment herzhaft lachen, weil sie natürlich um das besondere Verhältnis zwischen Bonn und Berlin wusste, und sagte sofort für die Unions-Seite zu: Wir übernehmen das!

Also muss sich Bonn im Namen Beethovens bei einem Berliner bedanken?

Kelber: Als wir es entschieden hatten, stellte Klaus Wowereit das Beethoven-Jubiläum in Bonn als die entscheidende Aufgabe für die Kultur so engagiert und wortreich vor, als wäre er – zumindest in diesen Minuten – ein Bonner.

Von insgesamt 27 Millionen Euro, die der Bund für das Beethoven-Jubiläum gibt, bleibt wie viel tatsächlich in Bonn?

Kelber: Die Beethoven-Jubiläums GmbH, zuständig für Bonn, die Region und das Land NRW, bekommt 15 Millionen Euro als Zuschuss des Bundes. Auch das Land und die Stadt werden darüber hinaus noch Geld investieren müssen. Die restlichen zwölf Millionen Euro werden auf Projekte des Beethoven-Jubiläums im gesamten Bundesgebiet aufgeteilt, aber auch für bestehende Einrichtungen des Bundes in Bonn, wie Kunst- und Ausstellungshalle oder Haus der Geschichte, zur Verfügung stehen.

Aus der Pleite des Beethoven-Festspielhauses, aus dessen Finanzierung sich im vergangenen Jahr mit der Deutschen Post DHL Group der wichtigste private Förderer zurückgezogen hatte, lässt sich welche Lektion für die Zukunft lernen?

Kelber: Die Entscheider in der Stadt müssen schneller werden, verbindlicher werden und die Chancen ergreifen, die man hat: Das muss Bonn lernen. Für uns ist manches noch zu selbstverständlich wie zu Zeiten, als wir Hauptstadt waren. Wir sind längst im harten Konkurrenzkampf mit anderen Regionen Europas. Beethoven ist eine der Stärken, die wir haben, eine unschlagbare Marke. Wenn wir ein derartiges Geschenk angeboten bekommen – vom Bund und von anfangs ja drei privaten Sponsoren –, dieses Markenzeichen zu stärken, dann muss man zugreifen. Das war wirklich ein Trauerspiel der Bonner Kommunalpolitik.

„Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.“ Steht das auch noch in einem nächsten Koalitionsvertrag?

Kelber: Die Entstehung von Koalitionsverträgen ist eine Geheimwissenschaft. Man muss zum richtigen Zeitpunkt aktiv werden und mit den richtigen Leuten sprechen. Wir müssen aber längst über folgenlose Bekenntnisse hinausgehen hin zu einer verbindlich vereinbarten Arbeitsteilung 2.0. Es geht darum, die Zukunftssäulen Bonns weiterzuentwickeln. In manchen Bereichen hat das schon gut geklappt, andere sind durch den Rutschbahneffekt nach Berlin erheblich geschwächt worden. Die Regierungsspitze muss endlich verbindliche Zusagen machen.

Bonn bleibt also nicht die Unvollendete?

Kelber: Bonn ist Freude, schöner Götterfunken.

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