Premiere auf deutscher Bühne Moving Targets zeigt bewegendes Familienporträt

Bonn · Die Theatergruppe moving targets zeigt ein bewegendes Familienporträt. Stephen Beresfords Stück „The Last of the Haussmans“ ist erstmals auf einer deutschen Bühne zu sehen.

 Eine Mutter und ihre beiden Kinder: Judy (Janine Lockwood-Brusa, Mitte) mit Nick (Philipp Gierenstein) und Libby (Esther Takats).

Eine Mutter und ihre beiden Kinder: Judy (Janine Lockwood-Brusa, Mitte) mit Nick (Philipp Gierenstein) und Libby (Esther Takats).

Foto: Thomas Kölsch

Ein Scherbenhaufen. Mehr ist von den Haussmans nicht übrig. Ein Scherbenhaufen und ein Haus, das ebenso verfallen zu sein scheint wie die Familie selbst. Liebenswert, ja, mit Charme, aber auch voller ungelöster Probleme. Jetzt jedoch kommt alles ans Licht – dank der neu gegründeten Bonner Theatergruppe moving targets, die Stephen Beresfords Stück „The Last of the Haussmans“ erstmals auf eine deutsche Bühne bringen und mit ihrem Debüt zugleich ein ebenso unterhaltsames wie bewegendes Porträt zeichnen. In der Brotfabrik sorgt die englischsprachige Inszenierung dank überaus starker Charakterzeichnungen auf jeden Fall für Begeisterung.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Mutter Judy (brillant: Janine Lockwood-Brusa), ein einst zwischen Ashrams und verschiedenen Liebhabern hin und her tingelnde Alt-Hippie, die nach einer kleineren Krebsoperation ihre beiden Kinder wieder zu Hause begrüßt. Die haben jedoch ihre eigenen Probleme: Der homosexuelle Nick (Philipp Gierenstein) ist süchtig nach Drogen, Alkohol und unerreichbaren Männern, während die verkniffene Libby (Esther Takats) ihre ständig wechselnden Partner nicht halten kann und zudem zu ihrer aufmüpfigen Tochter Summer (Clara Clasen) ein ähnlich schwieriges Verhältnis hat wie ihre Mutter zu ihr. Dazwischen tummeln sich noch ein fadenscheiniger Arzt (Mike Nyandeika) und ein junger Poolboy (Ben Heering), der ein Auge auf Libby geworfen hat und von Nick begehrt wird. Eine Situation, in der nicht nur eine Katastrophe vorprogrammiert ist.

Tolle Inszenierung

So exzellent auch das gesamte Ensemble spielt, das der zerrütteten Familie viele Konturen gibt, so ist es doch Lockwood-Brusa, die das gesamte Stück zusammenhält. Zwar lebt ihre Judy mitunter in einer Traumwelt, sieht nicht die Leiden des von ihr vergötterten Sohnes oder die Verzweiflung von Libby, die als einzige versucht, die Familie nicht völlig in die Armut abrutschen zu lassen (womit sie letztlich wie mit so vielem scheitert) – und doch ist sie gerade deshalb die einzig Glückliche im gesamten Stück.

Dies verkörpert Lockwood-Brusa mit einer fantastischen Leichtigkeit und Unbekümmertheit, fröhlich schnatternd und beständig trinkend, immer offenherzig und immer präsent. Selbst hinter der Bühne; ihre durchdringenden Rufe nach ihrer Tochter treffen so manche Zuschauerin offenbar ins Mark.

Doch richtig stark wird es, als Judys Gesundheit sich drastisch verschlechtert und Lockwood-Brusa sich dermaßen auf einer Liege quält, dass es einem schier das Herz bricht. So eine intensive Darbietung ist Theater in Perfektion. Es spricht für das gesamte Ensemble, dass es auf diesem Niveau mithalten kann, allen voran Esther Takats, die das gesamte Spektrum an Emotionen abzurufen versteht und als Libby einen starken Gegenpart zu Judy bildet.

Wirklich eine tolle Inszenierung. Bleibt nur zu hoffen, dass ihr in Zukunft noch weitere Produktionen folgen.

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