Oper Bonn Mit den Kollegen per Du

Bonn · Der Kanadier Jacques Lacombe ist seit Anfang der Saison für zwei Jahre Chefdirigent der Bonner Oper. Die nächste Premiere ist Donizettis "Lucia di Lammermoor".

 Jacques Lacombe während einer Vorstellung in der Deutschen Oper Berlin.

Jacques Lacombe während einer Vorstellung in der Deutschen Oper Berlin.

Foto: Stoess

Es ist nicht jedem gegeben, im Flugzeug wie ein Murmeltier schlafen zu können. Der Dirigent Jacques Lacombe verfügt über diese besondere Gabe, von der er in den kommenden Monaten noch sehr profitieren wird. „Zwischen September und Juli werde ich 15 mal zwischen Deutschland und Kanada hin- und hergeflogen sein“, hat er nachgerechnet. Denn seit Beginn der noch jungen Spielzeit ist der 53-Jährige für zwei Jahre Chefdirigent an der Bonner Oper, muss sich aber zugleich auch um sein anderes Orchester kümmern, das in der Nähe von Québec residierende Orchestre Symphonique de Trois-Rivières. Darüber hinaus ist er auch als Gastdirigent auf beiden Kontinenten unterwegs und unterrichtet Dirigieren in Montreal.

Lacombe, der fließend deutsch spricht, hat sich in Bonn bereits bestens eingeführt. Noch vor Amtsantritt dirigierte er Emil Nikolaus von Rezniceks „Holofernes“, im September folgte dann Puccinis „La Bohème“, und derzeit bereitet er Donizettis „Lucia di Lammermoor“ vor, deren Premiere am 30. Oktober ansteht. Am Beethoven Orchester schätzt er besonders die Offenheit und die Neugier der Musiker. Ihm ist es wichtig, nicht als der autoritäre Maestro herüberzukommen, sondern als Primus inter Pares, als Erster unter Gleichen, der die Kollegen am liebsten mit Vornamen anspricht. In Frankreich, wo er ebenfalls häufig dirigiert, sei das nicht so üblich, bedauert er. „In Monte Carlo habe ich einmal einen Bassposaunisten so angesprochen, der gar nicht reagierte. Erst nachher kam er zu mir, und sagte mit Tränen in den Augen, er spiele jetzt seit 25 Jahren in dem Orchester und höre seinen Vornamen zum ersten Mal.“

Seine Verpflichtung nach Bonn war eine relativ kurzfristige Angelegenheit. Denn wegen der Verzögerung bei der Suche nach einem Nachfolger von Generalmusikdirektor Stefan Blunier war nicht nur ein Interimschef für das Konzertwesen nötig geworden (den man in Christof Prick fand), sondern es musste auch für die Oper eine Zwischenlösung installiert werden.

Dieses Vakuum war für Lacombe gerade zur rechten Zeit entstanden. Denn seinen Vertrag als Chef des New Jersey Symphony Orchestra hatte er eh im Juli dieses Jahres auslaufen lassen. „Ich habe in Amerika viel mehr sinfonisches Programm dirigiert, in Europa aber mehr Oper und dachte schon lange, dass es eine gute Erfahrung wäre, eine Zeit lang fest an einem Opernhaus zu sein.“ Der Kontakt lief über den Bonner Operndirektor Andreas K.W. Meyer, der viele Jahre Chefdramaturg der Deutschen Oper Berlin war, wo Lacombe in den vergangenen Jahren 15 Produktionen betreut hat.

Lacombe ist vergleichsweise spät zur Musik gekommen. „Als Junge habe ich sehr viel Sport gemacht, Hockey und Baseball.“ Mit elf Jahren begann er dann, ernsthaft Klavierunterricht zu nehmen. „Dann ging alles sehr schnell“, sagt er. Bereits mit 18 war er examinierter Organist und Chorleiter. Er studierte am Conservatoire de Musique in Montreal und an der Hochschule für Musik in Wien. Die Jahre als Stipendiat von 1986 bis 1989 in Wien hat er besonders genossen, besuchte ungezählte Opernvorstellungen, Proben und Konzerte, ließ sich von großen Dirigenten wie Herbert von Karajan und Carlos Kleiber inspirieren und: „Ich war einer der letzten Assistenten von Leonard Bernstein, der kurz vor seinem Tod in Wien Bruckners neunte Sinfonie dirigierte.“ Und wenn er, wie im Juli, das Eröffnungskonzert des Musikfestivals in Tangelwood dirigiert, wo Bernstein über Jahrzehnte zum festen Inventar gehörte, ist er dessen Geist vielleicht besonders nah.

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