Vor der Premiere Mirja Biel: „Uns bleibt nur die subjektive Ebene“

Bonn · Gespräch mit der Theaterregisseurin, die Yassin Musharbashs „Radikal“ in der Bonner Werkstatt inszeniert - ein beängstigend realistischer Politthriller à la John le Carré

 Es geht um Meinungen: Szene aus „Radikal“.

Es geht um Meinungen: Szene aus „Radikal“.

Foto: Thilo Beu

Als der deutsche Journalist und Autor Yassin Musharbash 2011 seinen ersten Thriller veröffentlichte, erschien die Handlung noch reine Fiktion zu sein: Ein Attentat auf einen ägyptisch-stämmigen Grünen-Politiker versetzt Deutschland in Aufruhr, vor allem da die islamistische Al-Qaida sich die Tat auf die Fahnen schreibt. Ein Krieg der Populisten beginnt, einer, in dem die größte und plakativste Überschrift gewinnt, während die Wahrheit auf der Strecke bleibt. Denn in Wirklichkeit führt die Spur in rechtsradikale Kreise.

Klingt abenteuerlich – aber ganz so abwegig scheint ein derartiges Szenario gar nicht mehr zu sein. „Heutzutage denkt man dabei natürlich unweigerlich an den Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgab und mit dieser Tarnung vermutlich einen Terroranschlag plante“, erklärt Regisseurin Mirja Biel, die den Roman „Radikal“ nun auf die Werkstattbühne des Theater Bonn bringt und auf die erschreckende Aktualität des Stoffes hinweist. „Mich interessieren aber vor allem die Themen, die Musharbash anreißt; also die tiefergehenden Fragen nach Identität in polarisierenden Zeiten, unserem Umgang mit schnell aufkeimenden Vorurteilen und dem Zynismus einer oft unkritischen Presse. Das alles soll an diesem Abend auf der Bühne untersucht werden.“

Letztlich geht es Biel und ihrem Ensemble um Meinungen. Um extreme, radikale Positionen, die nur scheinbar weit auseinanderliegen und sich doch in ihrem Hass auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde auffallend ähneln.

In diesem Spannungsfeld müssen die vier Protagonisten agieren: Die palästinensische Assistentin des ermordeten Politikers Sumaya und ihr Cousin Fadi, beides Muslime, stehen für den Spagat zwischen zwei Kulturen und die Bemühungen um Abgrenzung von radikalen Positionen; der Islamwissenschaftler Samuel deckt den religiösen Hintergrund ab; und Journalistin Merle die vermeintlichen und realen Schwächen in der medialen Berichterstattung. „Im Stück nutzen wir dabei auch verfremdete und teilweise überhöhte Bilder, die einen assoziativen Charakter haben“, erklärt Biel. „Unsere eigene Auseinandersetzung mit dem Stoff zeigen wir mit Diskussionen und Interviews, die die Schauspieler selbst geführt haben.“

Vor allem die Manipulierbarkeit der Bevölkerung spiele eine zentrale Rolle, erklärt Dramaturgin Elisa Hempel. „Wir reagieren ja fast schon reflexhaft auf bestimmte Zeichen und Symbole. Sobald wie in diesem Stück islamistische Terrororganisationen mit einer Tat in Verbindung gebracht werden, folgen immer die selben vorhersagbaren Reaktionen gegen Muslime im Allgemeinen.“ Was gewisse Fraktionen durchaus ausnutzen könnten, um Fremdenhass zu schüren. „Wir haben zur Vorbereitung unter anderem eine Moschee besucht und mit dem Imam dort geredet, ebenso wie mit einem Islamwissenschaftler und anderen Experten“, fügt Biel hinzu. „Wir könnten aber noch nicht einmal ansatzweise für uns in Anspruch nehmen, die gesamte Thematik in ihrer Komplexität umreißen zu können. Uns bleibt somit nur die subjektive Ebene.“

Premiere von Yassin Musharbashs „Radikal“ ist am Sonntag, 20 Uhr, in der Werkstatt. Karten gibt es bei Bonnticket.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort