67. Berlinale Melancholie zum Auftakt

Die 67. Berlinale startet mit Etienne Comars politischem Musikdrama „Django“. Der Star-Quotient vor dem Berlinale-Palast wird in diesem Jahr auf jeden Fall bescheidener ausfallen.

 Zwischen den Welten: Reda Kateb als Django Reinhardt.

Zwischen den Welten: Reda Kateb als Django Reinhardt.

Foto: dpa

Wer ist dieser Clown?“, fragt Django Reinhardt. Auf einer improvisierten Kinoleinwand in einer Pariser Kellerbar im Jahre 1943 ist ein kleiner, wild gestikulierender Mann zu sehen. Das zusammengeschnittene Bildmaterial ruckelt absichtsvoll hin und her. Im Hintergrund klimpert harmlos ein Klavier. „Das ist Adolf Hitler“, sagt die Begleiterin. „Ach ja? Mieser Schnurrbart!“, stellt der Musiker fest und streicht sich über seinen schmalen Oberlippenbart. Hinter dem lässigen Kommentar verbirgt sich die souveräne Arglosigkeit eines Künstlers, der ganz in seiner Musik aufgeht und sich selbst in Zeiten von Krieg und Besatzung für unangreifbar hält, weil er in Paris riesige Konzerthallen füllt.

Mit „Django“ des französischen Regisseurs Etienne Comar eröffnete ein Film die diesjährige Berlinale, der zwar kaum Starpower auf den roten Teppich am Potsdamer Platz bringt, aber genau in das Profil des Festivals passt. Unter der 16-jährigen Regentschaft Dieter Kosslicks hat sich die Berlinale mit zunehmendem Selbstbewusstsein aus dem Konkurrenzkampf mit den Giganten in Cannes und Venedig verabschiedet und einfach ihr eigenes Ding gemacht.

Gezielt wurden dabei im Wettbewerb die Berührungspunkte zwischen Kino, Politik und Gesellschaft gesucht. In „Django“ steht das Wechselverhältnis zwischen Kunst und politischer Zeitgeschichte im Zentrum des Interesses. Die Musik ist wie das Kino ein Ort der Zuflucht in schwierigen Zeiten. Wenn Django Reinhardt (Reda Kateb) in einer ersten langen Konzertsequenz zur Gitarre greift, existiert für ihn und sein Publikum nichts anderes als die Musik, deren Rhythmus und Virtuosität ungefiltert ins Ohr, ins Herz und in die Beine geht. Für Reinhardt, der zu den wenigen „Zigeunermusikern“ gehört, die unter der Naziherrschaft noch auftreten dürfen, kommt der Moment des Erwachens, als er zu einer Tour durch Deutschland gedrängt wird. Seine Geliebte Louise (Cécile de France), die Kontakte zur Résistance hat, überzeugt ihn und seine Frau Naguine (Beata Palya) davon, in die Schweiz zu fliehen. Im Gegensatz zum Holocaust ist die Verfolgung der Sinti und Roma während des Dritten Reichs im Kino bisher kaum erkundet worden.

Mit seiner Ausschnittvergrößerung aus der Biografie des legendären Sinti-Musikers sucht Comar nun einen Zugang zu diesem blinden Fleck cineastischer Geschichtsschreibung. Ohne lästige Katharsis-Dramaturgie zeigt er das allmählich wachsende politische Bewusstsein eines Künstlers, der eigentlich nur für seine Musik lebt. Dazu gehört vor allem auch die Verortung in der eigenen Kultur, die der Film jenseits folkloristischer Sinti-Klischees illustriert, ohne jedoch eine wirklich vertraute Nähe zu ihr entwickeln zu können.

Einstimmung auf den Wettbewerb

Es ist ein entschieden melancholischer Festivalauftakt, der auf einen Wettbewerb einstimmt, welcher sich mehr mit auffallender Konsequenz dem internationalen Autorenkino verschrieben und – sieht man einmal von der Comic-Verfilmung „Logan“ ab, die außer Konkurrenz läuft – keine einzige Hollywood-Produktion auf dem Zettel hat. Ob Kosslick damit etwaige Handelskriege zwischen Europa und dem Great-Again-Amerika vorwegnimmt, sei dahingestellt. Der Star-Quotient vor dem Berlinale-Palast wird in diesem Jahr auf jeden Fall bescheidener ausfallen. Aber immerhin wird am Freitag Richard Gere, der zusammen mit Laura Linney für Oren Movermans „The Diner“ über den Teppich wandeln wird, beweisen können, dass er immer noch ein paar Fans zum Kreischen bringt.

Stanley Tucci hat für „Final Portrait“ Armie Hammer und Geoffrey Rush im Schlepptau. Auch die Grand Dame des französischen Kinos, Catherine Deneuve, hat ihr Kommen angekündigt. Gespannt darf man auf das neue Werk des finnischen Altmeisters Aki Kaurismäki „Die andere Seite der Hoffnung“ und Danny Boyles Fortsetzung des Kultfilms „Trainspotting“ sein. Das deutsche Kino ist mit Thomas Arslans „Helle Nächte“, Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ und Andres Veiels Dokumentation über Joseph Beuys mit einer vielfältigen Mixtur vertreten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort