Maskenschau in Bonn "Masken - Kunst der Verwandlung" im Kunstmuseum

Bonn · „Masken – Kunst der Verwandlung“ zeigt im Kunstmuseum Bonn Werken von Max Ernst bis Cindy Sherman. Verhüllungen und Vermummte sollen die Befindlichkeiten der Maskierten darstellen. Das Thema ist aktuell und auch in der Biennale in Venedig gegenwärtig.

Vor dem Kunstmuseum Bonn hängt riesig und drohend Daniel Knorrs „Stolen History, Statue of Liberty“. Ein gespenstisches Accessoire: Eine schwarze Sturmhaube aus Stoff mit Augenlöchern und den charakteristischen, abstehenden Zacken. Die Haube wirkt im Gesamtkontext wie ein finsterer Gegenentwurf zur Freiheitsstatue – naheliegend ist die Assoziation zu Totenkopf und Ku-Klux-Klan-Maske, Halloween-Spuk und Burka. Im Museum dann ein nicht minder irritierendes Potpourri von Verhüllungen und Vermummten: Der Besucher hat die Wahl, den Weg der Historie zu gehen oder die Schau durch ein Spalier maskierter und behelmter Polizisten in voller Kampfmontur und in sporadischer Bewegung quasi von hinten aufzuzäumen. „Maske – Kunst der Verwandlung“ entpuppt sich als Bestandsaufnahme – nicht der Masken und Maskierungen selbst, sondern der Befindlichkeit der Maskierten, deren Motive und Strategien, der Künstler, die sich seit Beginn der Moderne der Camouflage angenommen haben.

Kuratorin Barbara Scheuermann stellt hier die Ergebnisse eines breiten Brainstormings zum Thema vor: Leider ziemlich unsortiert öffnet sich ein faszinierendes Feld. Das beginnt bei einer (in heutigen politisch korrekten Zeiten anrüchigen) ethnologisch und exotistisch angehauchten Eroberung und Aneignung afrikanischen Stammeskunst etwa bei Karl Schmidt-Rotluff und Pablo Picasso. Später ironisiert durch Sigmar Polkes Bild „Negerplastik“ und problematisiert durch die Südafrikanerin Zanele Muholi, die sich auf dem Green Market inmitten von traditionellen dunklen Masken fotografieren lässt, und so mit ihrer Hautfarbe kaum auffällt. Früher gab es auf dem Green Market nicht nur Kunsthandwerk, es war auch ein Marktplatz für Sklaven.

Das andere Extrem von Scheuermanns Maskenschau ist in einem exklusiv für die Bonner Schau gedrehtem Video von Eli Cortiñas zu finden, in dem weibliche Roboter ihre Mimik, programmierte Emotionen testen und vorführen. Eine gespenstische Vorstellung, die Cortiñas mit einer geradezu enzyklopädischen Video-Untersuchung über das Close-up konfrontiert, die Nahaufnahme im Film, und insbesondere die Fokussierung auf das weibliche Gesicht.

Warum wählen Menschen die Maske? Rollenspiele sind da ebenso beteiligt, wie der Schutz vor der Außenwelt und die Befragung der eigenen Identität, vielleicht auch deren Neukonstruktion und Optimierung, deren Veränderung und Uminszenierung. Das Ich wird neu konfiguriert. „Die Maske ist ein Paradoxon, ist Zeigen und Verbergen zugleich“, sagt die Kuratorin, die Maske sei eine Membran zwischen innen und außen.

Aktuelles Thema

Dass das Thema aktuell ist, belegt nicht nur der gegenwärtige Beitrag im Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Auch die vergangene Documenta fungiert als Stichwortgeberin: Miriam Cahn war dort mit ihren rätselhaft erstarrten Figuren zu sehen; Theo Eshetu war in Kassel mit einer faszinierenden Arbeit vertreten, bei der er riesige Banner von den Dahlemer Museen mit Masken der fünf Kontinente durch Projektionen in einen neuen Kontext rückte. Leicht verändert füllt Eshetus Arbeit nun, begleitet durch sanfte Musik, den zentralen Raum der Maskenschau und bietet sich als Reflexionsort über kulturelle und ethnologische Stereotypen an. Gauri Gill schließlich zeigte ihre hinreißende Fotoserie „Acts of Appearance“ auf der Documenta 14: Sie ließ in Indien Alltagsmasken schnitzen und diese von ganz normalen Menschen in ihrer gewohnten Umgebung tragen. Ein verblüffendes Experiment. Auch in Bonn und bei der gerade in Venedig eröffneten Biennale ist sie mit dem Projekt vertreten.

Bei aller Aktualität des Themas, interessant ist auch der Rückblick, den Scheuermann präsentiert: etwa die fotografierten inszenierten Temperamente von Hannah Höch (1920er Jahre), die ebenfalls aus der Zeit stammenden Masken-Experimente von Sophie Taeuber-Arp und die Selbstporträts von Claude Cahun, die verzweifelt meinte: „Unter dieser Maske ist eine andere Maske. Ich werde es niemals schaffen, all diese Gesichter abzuziehen.“

Selbstoptimierung ist ein Thema

Im Selbstporträt kulminiert das Maskenspiel: Gillian Wearing macht das auf den Spuren von Cindy Sherman ganz virtuos, schlüpft mithilfe von Masken und Körpersprache in die Identität ihrer Eltern, inszeniert sich selbst als 14-Jährige und junge Künstlerin.

Auch die Selbstoptimierung ist ein Thema: Die Künstlerin Orlan greift mit den drastischen Mitteln der Dokumentation den Komplex Schönheitsoperation auf – wenn das Gesicht zur Horrormaske wird. Dass eine Maske auch Aggressionen auslösen kann und die Trägerin zum willfährigen Objekt macht, demonstriert ein Experiment von Allie Coats, die in ihrem Film die Performance-Künstlerin Signe Pierce mit einer verspiegelten Maske und einem eng anliegenden Minikleid durch Myrtle Beach in South Carolina laufen lässt. Das Fehlen einer Physiognomie scheint den in erster Linie männlichen Passanten jede Hemmung, Achtung und Respekt zu rauben. Sie bedrängen die junge Frau, pöbeln sie an, bringen sie zu Fall. Da wird das Maskenspiel zum blutigen Ernst.

Eine spannende Schau über ein sehr aktuelles Thema.

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