Eine Filmlegende feiert Geburtstag Martin Scorsese wird 75

Bonn · Der Regisseur von "Taxi Driver" hat das amerikanische Kino um großartige Gangsterfilme, aber auch tolle Musikdokumentationen wie "Shine a Light" über ein Konzert der Rolling Stones bereichert.

 Dreht schon den nächsten Film: Martin Scorsese.

Dreht schon den nächsten Film: Martin Scorsese.

Foto: AFP

Hollywood kann sehr grausam sein. Da dreht Martin Scorsese jahrelang Meisterwerk um Meisterwerk – doch auf den Oscar-Galas schaut er immer traurig durch die dicke Hornbrille auf andere Sieger. Als er 2007 endlich für „Departed“ prämiert wird, ist der 65-Jährige zu Tränen gerührt: „Ich bin es einfach nicht gewohnt, zu gewinnen.“

Seine Geniestreiche hat er da längst abgeliefert, schäbige Glanzstücke jenes „New Hollywood“, das auf Rinnstein-Realismus statt Studioglamour setzt und Amerikas Brüche in kaputten Charakteren spiegelt. Scorsese, als schwächlicher Asthmatiker in New Yorks „Little Italy“ aufgewachsen, braucht hierfür einen Komplizen: Robert De Niro. Der gibt 1973 in „Hexenkessel“ seine Visitenkarte ab: als zappeliger Johnny Boy, der jeden Aggressionsschub rücksichtlos auslebt.

Eine wandelnde Zeitbombe wie der „Taxi Driver“ Travis Bickle. Dieser Ex-Marine fühlt sich in Manhattans Straßensumpf als „Gottes einsamster Mann“, der sich nur in gespenstischen Selbstgesprächen vor dem Spiegel und mit ritueller Gewalt einen Reim auf seinen verdrehten Gerechtigkeitssinn machen kann. Ein vom Vietnamtrauma Vergifteter. Schon 1977 zeigt Regisseur Scorsese hier, wie man eine Story vor nervös-zerstörerische Energie fast bersten lassen kann.

Doch Adrenalin und Testosteron haben in seinem Kino dunkle Geschwister: Depression, Selbsthass. Das Boxerdrama „Wie ein wilder Stier“ explodiert geradezu in den Kampfszenen, während die heimischen Scharmützel Jake La Mottas kleinlichen Sadismus gegenüber seiner Frau Vicky spiegeln. Hier gibt De Niro alles an innerer Hässlichkeit. Und an äußerer, wenn er die Punchermuskeln später in der Wampe des Ex-Champions versacken lässt.

Zehn Jahre ätzt der längst berühmte Regisseur mit „GoodFellas“ die psychopathischen Züge der Mafia in die Leinwand. Und obwohl er dieses intelligent-brachiale Kunststück überflüssigerweise in „Casino“ wiederholt – Hollywoods Mob-Beauftragter will er dann doch nicht sein.

Sein Musical-Tribut „New York, New York“ aber floppt schon 1977 an den Kinokassen, „Die letzte Versuchung Christi“ scheitert weniger an Blasphemie als an flacher Regie, und nach seinem Rolling-Stones-Opus „Shine a Light“ muss die Geschichte des Musikfilms auch nicht neu geschrieben werden.

So bleibt „Zeit der Unschuld“ nach Edith Wharton sein schönster Urlaub vom Club der harten, größenwahnsinnigen Männer.

Dort übernimmt 2003 Leonardo DiCaprio den Vorsitz von Robert De Niro. Mit „Gangs of New York“ wühlt Scorsese im blutigen Urschlamm der Metropole, doch die bilderwirbelnden Gewaltballette der Kamera von Michael Ballhaus bleiben die größte Attraktion des ausufernden Dramas. Auch mit der Howard-Hughes-Story „Aviator“ lässt der Regisseur seinen neuen Star in die Irre fliegen – bevor beide dann mit „Departed“ überzeugen.

Sein großes Thema scheint Martin Scorsese allerdings auf dem langen Weg vom „Hexenkessel“ bis zur kruden Börsianerfarce „The Wolf of Wall Street“ verloren zu haben.

Doch heute wird er 75 Jahre alt – und plant eine Rückkehr zu den Wurzeln. Seit September dreht er den Mafiathriller „The Irishman“ – mit De Niro als jenem Auftragskiller Frank Sheeran, der für die Mobster den Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa (Al Pacino) ermordet haben soll. Und das klingt fast nach einem späten zweiten Oscar.

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