Kolumne zur bundespolitischen Landschaft Macht mal Pause!

Meinung · Ohne Regierung läuft es doch auch, mögen sich viele in diesen Zeiten denken. Offenbar werden die Deutschen nicht gerne regiert - auch wenn Herbert Grönemeyer etwas anderes gesungen hat.

 Im politischen Berlin gibt es derzeit viele Leerstellen - und das Volk schaut eher gelangweilt zu.

Im politischen Berlin gibt es derzeit viele Leerstellen - und das Volk schaut eher gelangweilt zu.

Foto: picture alliance / Soeren Stache

Haben Sie etwas gemerkt in den vergangenen Wochen? Nein? Es hat nichts gefehlt? Keine Leerstelle, die gefüllt werden müsste? Kein Phantomschmerz, keine Desorientierung, kein Gefühl der Führungslosigkeit? Tja, schon erstaunlich, wenn man feststellt: Ohne dreht sich die Welt trotzdem weiter. Genau, ohne Regierung, ohne Kanzlerin und ohne Minister, die nicht mit der einschränkenden Beschreibung „geschäftsführend“ in ihren Büros sitzen.

Erstens sorgen die Damen und Herren unserer geschäftsführenden Bundesregierung schließlich nur dafür, dass die Dinge wie gewohnt weiterlaufen – neue Impulse gibt es nicht. Zweitens wissen die meisten, dass, wenn es irgendwann wieder eine reguläre Bundesregierung geben sollte, sowieso jemand anderes auf ihrem warmen Drehstuhl Platz nehmen und alles auf links kehren wird. Warum sich also abstrampeln, wenn der designierte Nachfolger mental schon in die Gegenrichtung unterwegs ist? Außer der Kanzlerin natürlich, zuverlässig wie ein VW Käfer: Läuft und läuft und läuft.

Ruhrgebietsbarde Herbert Grönemeyer hat ja in seinem Lied „Luxus“ die Zeile geprägt „Wir werden gern regiert“. Stimmt das eigentlich? Eher im Gegenteil, oder? Wenn man sich umhört, in der Nachbarschaft, unter Freunden – Schulterzucken. Läuft doch alles. Obwohl der Vorhang auf der Berliner Politbühne unten ist. Bäcker backen, Klempner klempnern, Autobauer bauen Autos, Finanzbeamte kassieren Steuern. War was? Den Deutschen, die angeblich so gern regiert werden, sind die Berliner Leerstellen reichlich schnuppe.

Haben wir nicht alle Gesetze, Verordnungen, Regelungen?

Noch ziemlich zu Beginn dieses ganzen unverdaulichen Regierungsbildungskuddelmuddels witzelte der – geschäftsführende – Außenminister Sigmar Gabriel: „Die größte Gefahr für einen Politiker ist, wenn die Leute merken, es läuft alles ohne uns. Also, wenn das die Deutschen merken, dann muss ich mir auch noch mal einen anderen Job suchen.“ Gabriel ist Lehrer, der Gang zum Arbeitsamt wird ihm wohl erspart bleiben.

Aber die Frage stellt sich natürlich: Haben wir nicht eigentlich alle Gesetze, Verordnungen, Regelungen die wir brauchen? Wie wär's als damit, die Regierungspause ein bisschen zu verlängern? Vielleicht einfach mal eine Legislaturperiode aussetzen, statt im Regierungshamsterrad Hochgeschwindigkeitsrunden zu drehen? Die Politik entschleunigen, das, was viele sich auch für ihr privates Leben wünschen. Und am Ende schauen, was liegengeblieben ist? Und dann vielleicht feststellen: Soviel ist es gar nicht.

Ist es zudem nicht mehr als offensichtlich, dass zumindest eine der Parteien, die dabei sind, sich in ein Regierungsbündnis zu zwingen, eine Pause mehr als nötig hat? Genau genommen müsste die SPD, die alte Tante, dringend zur Kur, Fangopackungen, strikte Diät und Therapiesitzungen inklusive. So dreieinhalb Jahre Bad Salzuflen, und sie wäre wieder fit wie ein Turnschuh, die betagte Dame, voller Spannkraft und bereit für neue Abenteuer, egal ob in Regierung oder Opposition.

Jaja, sagen die Bedenkenträger, aber Europa! Die ganze EU schaut ja angeblich nach Berlin, weil in Brüssel alles brachliegt, solange Deutschland nicht seinen Senf dazugeben hat. Aber wenn wir dringend eine Pause brauchen? Als die Belgier zwei Jahre ohne Regierung dastanden, hat schließlich auch keiner gemosert. Und warum nicht einfach mal dem vor Ideen sprühenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron die Bühne überlassen, nachdem sein Vorgänger (sie erinnern sich, ein unglücklicher blasser Mann namens François Hollande) eher ein Windschattenfahrer war.

Den Berliner Politikern kann man deshalb aus vollem Herzen zurufen: Macht mal Pause – und gönnt uns eine.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Aus dem Ressort