Fotografie-Legende Leibovitz überzeugt mit Bildband

Der prachtvolle Fotoband „Annie Leibovitz: Portraits 2005-2016“ spiegelt das Werk der Fotografie-Legende. 150 Aufnahmen zeugen von Leibovitz' Klasse.

 Statuarisch: Natalia Vodianova, Paris 2004.

Statuarisch: Natalia Vodianova, Paris 2004.

Foto: d

Ein Foto von Annie Leibovitz in dem Prachtband „Portraits 2005-2016“ erzählt eine amerikanische Kurzgeschichte. Donald und Melania Trump erwarteten 2006 gerade ein Kind, ihren Sohn Barron, als sie für die Starfotografin auf dem Rollfeld des Palm Beach Airports posierten. Neben seinen Geschäften als Immobilientycoon war „The Donald“ damals als Moderator der Fernseh-Reality-Show „The Apprentice“ aktiv. Er hatte sich noch nicht um ein öffentliches Amt beworben, aber schon sein Interesse daran bekundet. Was erzählt das Bild? Melania steht mit nacktem Bauch auf der Treppe, die ins Innere eines mächtigen Jets führt. Ihr Blick signalisiert dem Betrachter: Ich will bewundert werden.

Der Ehemann sitzt derweil in einem silbernen Sportwagen. Dessen eine Flügeltür ist geöffnet. Trump hat eine Hand am Steuer, die andere auf dem linken Bein. Das alles gehört mir, scheint sein Mienenspiel auszudrücken: Frau, zukünftiger Trump junior, Flieger und Bolide. Potenz, Power und PS definieren auf dieser Aufnahme das Prinzip Trump. Seit 2006 hat sich zumindest in dieser Hinsicht nichts geändert.

Die amerikanische Fotografie-Legende Annie Leibovitz (68) bildet mehr ab als glamouröse Oberflächen. Sie lässt dem Betrachter Raum für Deutungen und provoziert ihn geradezu, in die Bilder einzutauchen. In welchem Verhältnis zueinander Hollywoodstar Nicole Kidman und der Filmregisseur Baz Luhrmann stehen, mag man sich fragen. Dient der Filmemacher dem Star? Das Topmodel Natalia Vodianova scheint in Paris mit der hinter ihm aufragenden Statue zu konkurrieren: Wer ist die Schönste in der Stadt? Mode maßt sich hier an, sich auf Augenhöhe mit der Kunst zu bewegen.

Rund 150 großformatige Aufnahmen

Rund 150 großformatige Aufnahmen sind in dem Band „Portraits 2005-2016“ versammelt. Persönlichkeiten aus Showbusiness, Wissenschaft, Kunst, Sport und Politik hat Leibovitz' Kamera für die Ewigkeit festgehalten. Manche geben sich schutzlos und offen, andere inszenieren sich selbst. Leibovitz muss man sich in diesem Prozess als geduldige Partnerin vorstellen. „Ich wünsche mir oft, meine Bilder hätten mehr Biss, mehr Schlagkraft“, schreibt sie in einem Beitrag für den Fotoband. Dafür fehlt ihr offensichtlich das subversive Temperament. Leibovitz will Menschen wie Lady Gaga, Barack Obama und Elizabeth II. darstellen, nicht bloßstellen. „Ich bin keine gute Regisseurin“, sagt sie. „Ich verlasse mich darauf, dass meine Modelle etwas projizieren, etwas zu dem Bild beitragen, und was ihnen durch den Kopf geht, schlägt sich in dem Ergebnis nieder.“ Die Modelle lassen sie selten im Stich. Sie wissen, was sie der Fotografin schuldig sind.

Hillary Clinton und Barack Obama kommen besser weg als Donald Trump. Anders gesagt: Sie verstehen es besser, sich dem Publikum zu präsentieren. Obama im Oval Office als scheidender Präsident mit dem Rücken zur Kamera, die Hände in den Hosentaschen: ein Symbol für Substanz und Lässigkeit. Schade, dass er gehen musste, drückt das Foto aus.

Hillary Clinton profiliert sich auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2009 als arbeitsame Außenministerin. Später ist sie zu sehen als Präsidentschaftskandidatin in Kent, Ohio. Sie erscheint präsidialer als Trump. Den Job hat allerdings „The Donald“ bekommen.

„Annie Leibovitz: Portraits 2005-2016“. Mit Texten von Annie Leibovitz und Alexandra Fuller. Schirmer/Mosel, 316 S., 150 Farb- und Duotone-Tafeln, 68 Euro.

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