Salut Salon kommen ins Bonner Opernhaus Kunst trifft Komik

BONN · Das reisefreudige Quartett Salut Salon freut sich über den Echo 2016 in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“ und gastiert am Donnerstag bei „Quatsch keine Oper“ in Bonn.

GA: Das Album „Carnival Fantasy“ ist die Studiofassung Ihres Bühnenprogramms. Wie kamen Sie darauf, sich mit der tierischen Seite der Klassik zu beschäftigen?

Iris Siegfried: „Der Karneval der Tiere“ ist ja ein Klassiker. Wir fanden es spannend, uns mit dem berühmten Werk von Camille Saint-Saëns auseinanderzusetzen. Und wir wollten herausfinden, inwieweit sich andere Komponisten ebenfalls von Tieren musikalisch inspirieren ließen.

GA: Sind Sie fündig geworden?

Siegfried: Ja, bei Bachs „Die Schafe können sicher weiden“ bis zu Astor Piazzollas „Der Haifisch“. Aber wir haben auch eigenes geschrieben wie den Song „In mir lebt ein ganzer Zoo“.

GA: Und warum Tiere?

Siegfried: Häufig stehen Tiere sinnbildlich für Eigenschaften, die uns Menschen beschreiben. Und beim Thema „Karneval“ geht es um unser menschliches Bedürfnis nach Verwandlungen, die den Alltag vergessen lassen.

GA: Sie spielen viele Stücke, die ursprünglich nicht für Ihre Besetzung entstanden sind. Finden Sie gerade das reizvoll?

Siegfried: Wir arrangieren jedes Stück neu. Selbst wenn es ein Stück für unsere Besetzung gäbe, würden wir etwas ganz anderes daraus machen. Das ist sehr zeitaufwendig – zumal wir eine Basisdemokratie haben und nie aufhören, bevor nicht alle vier mit dem Ergebnis zufrieden sind.

GA: Was tun Sie, wenn Sie sich mal nicht einig sind?

Siegfried: Wenn eine nicht zufrieden ist, dann stimmt auch etwas nicht – und es lohnt sich, weiter am Arrangement zu feilen.

GA: Gibt es dazu ein Beispiel?

Siegfried: Bei Camille Saint-Saëns Stück über die „Fluchttiere“ haben wir immer wieder unsere Ausgangsideen verworfen. Im Original wird es von zwei Klavieren gespielt, die den Fluchtcharakter durch schnelle, sich abwechselnde Läufe darstellen. Die müssen bei uns von einem Klavier übernommen werden.

GA: Wie haben Sie das Problem gelöst?

Siegfried: Durch Tremoli in den Geigen und weitere rhythmische Komponenten haben wir einen Weg gefunden, das Stück in unserer Besetzung unheimlich und fluchtartig klingen zu lassen.

GA: Ihr witzige Konzertmitschnitt „Wettstreit zu viert“ wurde bislang 20 Millionen Mal angeklickt. Was hat sich dadurch bei Ihnen verändert?

Siegfried: Wir sind schon immer weltweit aufgetreten, aber jetzt machen wir große Auslandstourneen. In Frankreich, USA, Brasilien oder China haben wir inzwischen eigene Agenten.

GA: Im Ausland singen und moderieren Sie angeblich immer in der jeweiligen Landessprache. Und wie halten Sie es mit China?

Siegfried: Wir waren schon vier Mal in China und haben es jedes Mal sehr genossen. Auf Chinesisch zu moderieren, ohne ein Wort davon zu verstehen, ist eine irrwitzige Herausforderung.

GA: Kommen die Chinesen klar?

Siegfried: Sie scheinen unsere Texte zu verstehen. In Shenzhen spielten wir in einem sehr schönen Nachbau des Leipziger Gewandhauses und brachten ein echtes chinesisches Lied mit. Und dann sprangen 1600 Chinesen von ihren Stühlen auf und sangen es mit!

GA: Was ist in China zu beachten?

Siegfried: In China wird viel kürzer, dafür aber heftiger geklatscht als bei uns. Und unsere Handpuppe Oskar bekommt schon Szenenapplaus, bevor er überhaupt etwas gemacht hat.

GA: Wie kommt es zu dieser Idee mit der Puppe „Oskar“?

Siegfried: Oskar ist unser Quotenmann. Zunächst hatten wir aus Stroh einen Dummy gebaut und mal geguckt, wie das aussieht, wenn er aus dem Cellokasten klettert. Die Aufmerksamkeit lag sofort auf dieser stummen Puppe. Wir fanden es schön, dass die Zuschauer mal von uns abgelenkt werden, sich der Poesie hingeben und dabei auch der Musik ganz anders zuhören.

GA: Darf diese Puppe Dinge tun, die Sie niemals tun würden?

Siegfried: Ja. Oskar darf auf der Bühne hemmungslos flirten und unserer Pianistin beim Liebestraum von Franz Liszt ans Bein tatschen!

GA: Wie viele Ersatz-Oskars haben Sie stets dabei?

Siegfried: Es gibt nur diesen einen! In der Tat ist er schon mehrmals verloren gegangen – während unserer letzten Südamerika-Tournee hat er sich vermutlich an der Copacabana vergnügt. Aber er ist immer wieder zu uns zurückgekommen.

GA: Sie sind Leiterin der Initiative „The Young ClassX“. Wie vermitteln Sie den Kids Musik?

Siegfried: Durch eine Kooperation können wir vielen Kindern kostenfreien Musikunterricht anbieten. „The Young ClassX“ ist inzwischen eine große Initiative in Hamburg mit jährlich über 200 Veranstaltungen.

GA: Seit 20 Jahren haben Sie auch das Kinderorchester Die Coolen Streicher, das 2004 vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau als innovativstes Musikprojekt Deutschlands ausgezeichnet wurde. In welcher Hinsicht war dieses Projekt neuartig?

Siegfried: Bei den Coolen Streichern spielen Kinder altersübergreifend zusammen. Jeder bekommt die Stimme geschrieben, die er spielen kann.

GA: Wie sieht das konkret aus?

Siegfried: Es sind vier- oder fünfjährige Anfänger dabei, die nur die leere Saite mitzupfen. Das ist schon schwierig genug, weil der Ton ja passen muss. Die Fortgeschrittenen spielen die schwierigeren Stimmen. Wenn man älter wird, wächst man in die höheren Stimmen hinein und kann dann die Kleineren betreuen.

GA: Sie unterstützen auch Musikschulen in Lateinamerika. Wie kam es dazu?

Siegfried: Die Musikschule Escuela Popular de Artes in einem chilenischen Armenviertel bei Viña del Mar verfolgt ein ähnliches Konzept wie die Coolen Streicher, aber eher aus der Not heraus. Die Kinder werden von der Straße geholt und musizieren zusammen. Wir wurden gefragt, ob wir Paten werden wollten. Seither sammeln wir nach den Konzerten für dieses Leuchtturmprojekt und besuchen die Schule regelmäßig auf unseren Südamerikatourneen.

GA: Was macht die Musik mit Kindern?

Siegfried: Musik macht innerlich reich. Das rein akustische Wahrnehmen wirkt auf den ganzen Körper. Dieses Phänomen hat etwas unerklärliches, weil Musik – im Gegensatz zu anderen Kunstformen – nicht greifbar, nicht sichtbar ist.

GA: Was tun Sie bei unmusikalischen Kinder?

Siegfried: Meines Erachtens ist jeder Mensch erst mal musikalisch. Natürlich gibt es Unterschiede. Manche können sofort sauber singen, bei anderen muss das erst trainiert werden. Manche Kinder haben einfach keine Lust oder keinen Zugang, das muss man dann akzeptieren. Aber eigentlich kenne ich niemanden, der dabei nicht doch etwas Besonderes spürt. Je mehr Kinder diese Chance bekommen, desto besser.

GA: Finden die Kids Klassik genauso cool wie Popmusik?

Siegfried: Ja. Klassik war früher Popmusik. Sie ist eingängig. Da muss man nicht drüber reden, man muss einfach nur spielen.

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