Neu im Kino Kulturschock im Kuhkaff

Julien Rambaldis charmant-bissige Integrationskomödie „Ein Dorf sieht schwarz“ steckt voller Überraschungen.

 Sie stehen im Regen: (von links) Medina Diarra, Aïissa Maïga, Marc Zinga und Bayron Lebli. FOTO: PROKINO/DPA

Sie stehen im Regen: (von links) Medina Diarra, Aïissa Maïga, Marc Zinga und Bayron Lebli. FOTO: PROKINO/DPA

Foto: dpa

Die Telefonleitung nach Kinshasa ist nicht die beste, und so versteht Seyolo Zantokos Familie nur ein Wort: „Paris“. Da hilft es dem an der Universität von Lille frischgebackenen Doktor der Medizin wenig, dass er hinzufügt: „nein, nördlich von Paris“. Dort will der Mann aus Zaïre 1975 als Landarzt beginnen, um so die französische Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Wenig später stehen seine Frau Anne und die beiden Kinder buchstäblich wie begossene Pudel im Dauerregen der Picardie. Kein Eiffelturm weit und breit, stattdessen die windschiefen Bauernhäuser des Kuhkaffs Marly-Gomont. Das Wohnhaus ist klamm, der Dienstwagen ein qualmender Schrotthaufen, und die Hinterwäldler machen um die Praxis des schwarzen „Medizinmanns“ einen großen Bogen.

Dass Seyolo für diese „Chance“ den Leibarztposten bei Zaires Präsidenten Mobutu ausgeschlagen hat, behält er da lieber für sich. „Ein Dorf sieht schwarz“ entpuppt sich als amüsante Kulturschock-Komödie, die den Provinzlerspott aus „Willkommen bei den Sch'tis“ mit einer Rassismus–Therapie verknüpft.

Wobei Regisseur Julien Rambaldi die Vorurteilsmauer lange stehen lässt, bis das fremdenfeindliche Bollwerk erste Risse zeigt. Dartspielen mit den Einheimischen hilft dem Arzt anfangs wenig, erst sein heikler Hebammendienst bricht den Bann. Doch auf dem scheinbar geebneten Weg zum Happy End warten noch weitere Schlaglöcher.

Nach einer wahren Geschichte zeichnet der Film das Milieu der maulfaulen Dörfler bemerkenswert grimmig, um dann den Charme der afrikanischen „Eindringlinge“ siegen zu lassen. Insbesondere die Hauptdarsteller Marc Zinga (Seyolo) und Aïssa Maïga (Anne) versprühen Sympathie, Wärme und Entschlossenheit.

Die Szene, in der Seyolos Verwandtschaft den schütteren Gesang der Kirchengemeinde mit Gospeltemperament aufpeppt, muss man einfach gesehen haben. Ebenso wie die Fußballtricks von Töchterchen Ivi, die auch den Status des Vaters stärken. Dass der Landarzt schließlich bis zu seinem Unfalltod im August 2009 in der Picardie blieb, hat seinen Sohn Kamini zweifach inspiriert: zum erfolgreichen Rapsong „Marly-Gomont“ und zum Originaldrehbuch dieser unterhaltsamen Integrationsgeschichte.⋌ Kinopolis

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