Buchrezension "Kampfsterne" von Alexa von Hennig von Langes

Bonn · Die Prosa dieser Autorin schießt wie eine Flipperkugel zwischen den Protagonisten hin und her und zeichnet ihre Figuren dennoch mit scharfen Umrissen.

 Szenen voller Sarkasmus: Alexa Hennig von Langes Buch „Kampfsterne“ zeugt von schonungsloser Beobachtungsschärfe.

Szenen voller Sarkasmus: Alexa Hennig von Langes Buch „Kampfsterne“ zeugt von schonungsloser Beobachtungsschärfe.

Foto: picture alliance / dpa

Eine Bungalow-Siedlung in den 1980er Jahren. Man hat weiße Schrankwände, das „Köln Concert“ von Keith Jarrett im Schallplattenregal und kippt den Kummer mit Rum oder Cognac durch die Kehle. Rita ist neidisch auf die „sonnengebräunte Sexualität“ von Nachbarin Ulla – und auf deren Töchter Lexchen und Cotsch (Constanze). Sie selbst verachtetet das Intellektuellengehabe und die beigen Cordanzüge ihres Gatten Georg, findet ihren Sohn Johannes reichlich verschroben und Töchterchen Klara farblos.

Willkommen in der skandinavisch designten, zeitlupenhaft entgleisenden Welt des Romans „Kampfsterne“. Alexa Hennig von Langes Prosa schießt wie eine Flipperkugel zwischen den Protagonisten hin und her. Eben noch Rita und Georg, jetzt schon Rainer, der Macho, der seine Ulla ungeniert vor den Mädchen verprügelt.

Augenzeugin Cotsch hasst es, „wenn mein Arschloch-Vater mal wieder einen auf Vergewaltiger macht“. Gleichzeitig kann sie das madonnenhafte Märtyrertum der Mutter nicht ertragen. Die Autorin („Risiko“, „Peace“) umreißt das marode Mittelstandsmilieu in knackigen Szenen voller Sarkasmus, Erzähltemperament und schonungsloser Beobachtungsschärfe. Cotsch, als Schülerin schon die Femme fatale des Viertels, hat dabei die spitzeste Zunge. Ausgerechnet sie verliebt sich in den seltsamen Johannes, der zwar wie Stephen Hawking aussieht, ihr aber eine wilde Kassette aufnimmt.

Im Pingpong der Perspektiven liegt die Sympathie der Autorin (selbst fünffache Mutter) klar bei den noch rücksichtslos spontanen und ehrlichen Kindern. Die Erwachsenen dagegen sind „aus der Liebe gefallen“, und gerade die Frauen trauern jenen Zeiten nach, als das Töpfern noch getröstet hat.

Dass die Schmalspur-Feministin Rita ihre Liebe zu Ulla unterdrückt, könnte sich irgendwann rächen, wie überhaupt stets ein Hauch von Verhängnis über der äußerlich adretten Szenerie liegt. Tatsächlich muss Cotsch bitter für ihre offensive Erotik zahlen, und das hellsichtige Lexchen, so rotlockig wie die Autorin, spürt: „Jemand hat meiner Schwester wehgetan.“

Über weite Strecken dieses extrem kurzweiligen Buchs klingen die Frauenstimmen echter, entschiedener, doch gegen Ende ändert sich das. Georg, der schwächliche Asthmatiker, begreift seine Situation sehr wohl, während es für Rainer und Ulla vielleicht doch noch einen Ausweg aus der Sadomasofalle ihrer Ehe gibt.

Mag auch die ganz große Katastrophe ausbleiben: Am Ende packt eine die Koffer, und Klara steht in einem leeren Zimmer: „Meine Welt ist weg. Mama. Halt mich.“

Alexa Hennig von Lange: Kampfsterne. Roman, DuMont Buchverlag, 224 S., 20 Euro.

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