CD-Tipp Italienischer Trompeter Paolo Fresu bringt neue CD heraus

BONN · Die neue CD „Carpe Diem“ von Paolo Fresu mit seinem Devil Quartet verzichtet auf elektronische Klangeffekte.

 Virtuoses Spiel: Paolo Fresu mit seinem Flügelhorn.

Virtuoses Spiel: Paolo Fresu mit seinem Flügelhorn.

Foto: Leduc Laurent

Wer noch Zweifel an einer musikalischen Verwandtschaft zwischen dem italienischen Trompeter Paolo Fresu und seinen US-amerikanischen Kollegen Miles Davis und Chet Baker hegte, in „Home“, dem ersten Stück seiner neuen CD, ist zu Beginn eine schlanke, wunderbar gradlinige Melodie zu hören, ein wehmütiger, fließender Ton, der von Baker oder Davis stammen könnten. Leichte Akzente von Schlagzeugbesen und Bass begleiten kaum wahrnehmbar dieses Intro. Einstieg in die CD „Carpe Diem“, deren getragene, melancholische Stimmung gefangen nimmt. „Carpe Diem“ klingt so, wie die CD übersetzt heißt: „Nutze den Tag, genieße den Augenblick“. Dazu bietet sich die CD als perfekter Soundtrack an.

Mit seinem Devil Quartet, mit Bebo Ferra an der Akustikgitarre, Paolino Dalla Porta am Kontrabass und Stefano Bagnoli am Schlagzeug unternimmt der Flügelhornist Fresu eine spannende Reise. Die Besetzung verwundert bereits – Fresu, der sonst gerne mit elektronischen Effekten spielt, verlegt sich bei „Carpe Diem“ auf den akustischen Bereich. Klangeffekte, insbesondere auf der Trompete, aber auch mit dem Schlagwerk, sind allesamt ohne elektronische Hilfsmittel entstanden. Fresu glänzt als exzellenter Techniker, der seinem Instrument erstaunliche Farben entlockt.

„Carpe Diem“ ist aus einem Guss und steckt doch voller Überraschungen. 14 Stücke, die es in sich haben. „Enero“ (Januar) ist eine volksliedhafte, zarte Ballade. Die zügige Nummer „Lines“ lässt an John Coltrane denken, „Secret Love“ geht unter die Haut, gibt jedem Quartettmitglied üppigen Raum für Improvisationen. Das Kollektiv funktioniert: Alle vier Devils sind gleichrangig an den Kompositionen beteiligt. Eine Ballade widmet sich Rimbaud, ein wunderbares Stück dem 2016 gestorbenen Komponisten, Arrangeur und Bigband-Leader Giulio Libano, der einst virtuos an der Grenze zwischen Jazz und Pop operierte, mit Künstlern wie Dalida, Françoise Hardy, Pat Boone, Petula Clark und Adriano Celentano. Das für Fresus Teufel geradezu programmatische Stück „Giulio Libano“ kommt als feuriger Tanz daher, rhythmisch vertrackt und eingängig in der schönen Melodie.

Kenner des Dichters Horaz

Der Begriff „Carpe Diem“ stammt aus einem Gedicht des Horaz, es ist das berühmteste Zitat daraus. Alle vier Teufel outen sich als intime Kenner des antiken Dichters, indem sie ihre gemeinsame Komposition unter ein weiteres Zitat aus dem Gedicht stellen: „Dum Loquimur, Fugerit Invida Aetas“. Die Übersetzung lautet: „Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen.“ Daher: Nutze den Tag!

Die Musik dazu ist ein geniales musikalisches Puzzle verschiedener Instrumentalbausteine und Klangeffekte, die zunächst nicht zueinanderzufinden scheinen, ein Abtasten und Experimentieren. Sicherlich das spannendste Stück der in Fresus eigenem Label Tuk Music herausgekommenen CD. Fresu greift das Gedicht „Carpe Diem“ ein weiteres Mal auf: Auf „Carpe Diem“ folgt „Quam Minimum Credula Postero“. Zusammen heißt das: „Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!“ Eine schöne Philosophie. Das Stück „Quam Minimum...“ entpuppt sich als schneller, nur zwei Minuten kurzer Rausch, als Klanggewitter, das bald verhallt. Mit „Un Posto Al Sole“, dem letzten Stück dieses meisterhaft zusammengestellten Albums, ist Fresu mit seinen Teufen wieder bei der Melancholie und beim Schönklang des Anfangs.

Freunde des exzellenten Trompeters Fresu können sich schon auf Ende September freuen: Da bringt das Label ACT die CD „Summerwind“ heraus – mit Fresu und dem Bassisten und Cellospieler Lars Danielsson.

Paolo Fresu Devil Quartet: „Carpe Diem“. Tuk Musik

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