Ausstellung in Köln In der Welt der Krieger und Avatare

Bonn · Das Kölner Museum für Angewandte Kunst zeigt begleitend zur Gamescom die faszinierende Ausstellung „Im Spielrausch. Von Königinnen, Pixelmonstern und Drachentötern“.

Ob es nun mit dem wunderbar geschnitzten Läufer – einem Elefanten – schräg übers Spielfeld geht, man sich der geometrischen Figuren des Bauhauses oder aus dem Figurenpark des Super-Mario-Kosmos bedient: Schach ist die Mutter aller Strategie- und Kriegsspiele, Inbegriff der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Hoch ästhetisch und sehr abstrakt geht's beim Brettspiel zu, blutig und brutal in Ego-Shooter-Spielen wie „Call of Duty: Modern Warfare 2“.

Der Kölner Medienkünstler Thomas Hawranke hat sich einmal die Mühe gemacht, die Computerspiel-Leichen einer Spielsession zu sammeln und in einem Bild zu visualisieren – bei den Opfern handelt es sich fachlich korrekt um „Ragdolls“, womit euphemistisch Stoffpuppen bezeichnet werden. Das Ergebnis: Ein grotesker Leichenberg, der von Weitem wie ein abstraktes Ornament wirkt.

Unweit von Hawrankes Bild trifft man in der hervorragenden Ausstellung „Im Spielrausch“ im Kölner Museum für Angewandte Kunst (MAKK) auf das vom Schach abgeleitete, sehr komplexe Strategiespiel von Johann Christian Ludwig Hellwig, der es 1780 entwickelte, um den „Schülern der Kriegskunst“ nützlich zu sein und „eine angenehme Unterhaltung durch ein Spiel zu verschaffen, worin nichts vom Zufalle, sondern alles von der Leistung des Spielers abhängt“. Sehr geschickt setzten die Ausstellungsmacher Hellwigs Kriegsspiel mit zwei Computerspielen unserer Zeit – „Defcon 2“ und „R.U.S.E.“ – in Beziehung. In beiden Spielen wechselt sich die abstrakte Ebene einer Strategiekarte fließend mit realistischen Kriegsdarstellungen ab.

Im Spielrausch. Von Königinnen, Pixelmonstern und Drachentötern
20 Bilder

Im Spielrausch. Von Königinnen, Pixelmonstern und Drachentötern

20 Bilder

Reise durch die Spielwelt in sechs Levels

„Macht & Abstraktion“ hat das vierköpfige Kuratorenteam rund um Professor Peter W. Marx, Direktor der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Kölner Universität in Schloss Wahn, diese Abteilung von „Im Spielrausch. Von Königinnen, Pixelmonstern und Drachentötern“ genannt und sie in der Sprache der Computerspiele auf „Level 3“ gesetzt. Sechs „Levels“ gibt es insgesamt in dieser passend zum Start der Gamecom inszenierten Kulturgeschichte des Spielens. Rund 150 Objekte, etwa 60 Prozent aus dem Fundus der Wahner Sammlung, führen sehr anschaulich an das Phänomen Spielen, sich Verwandeln, neue Welten entwickeln heran. Etwa 60 Studierende waren in das Projekt involviert, was sich in der Schau, im umfangeichen Rahmenprogramm, im Katalog und in den Inhalten des Whatsapp-Tourguides „hello!museum“ niederschlägt.

Marx wollte keine historisch-chronologische Ausstellung, sondern er stellt in jedem Level Historie und Gegenwart gegenüber. Da treffen eine „Butzi-Maske“ aus dem 19. Jahrhundert und die Stabpuppen aus den Hänneschen-Theater, „Tünnes“, „Schäl“ und „Teufel“ auf neuzeitliche Avatare, auf den „Mönch“, den „Kreuzritter“ und die „Zauberin“. Das sind virtuelle Spielfiguren aus „Diablo III“ (2014), in die der Gamer schlüpfen kann. Es gehe immer um das Prinzip Verwandlung, Eintauchen in die Welt des Spiels, das Akzeptieren von Regeln, erläutert Marx. „Spielen heißt Welten bauen“, sagt er und enthält sich einer Wertung: Dass analoges Spielen generell gut und wertvoll, digitale Welten stets gefährlich seien, sieht Marx überhaupt nicht. Gerade in der Gegenwart gebe es ein fließendes und höchst kreatives Hin und Her. So habe sich das digitale Open-World-Spiel „Minecraft“ aus der Logik der Legosteine entwickelt, worauf es eine „analoge Rückkopplung“ gab und Lego „Minecraft“-Figürchen ins Programm nahm.

Klar gegliedert, Baustein für Baustein erklärt „Im Spielrausch“ Aspekte des Phänomens: Die begehbare „Skybox“ steht am Anfang einer zu erzeugenden digitalen Welt – in der Ausstellung werden die Sterne von Karl Friedrich Schinkels „Zauberflöten“-Bühnenbild in den digitalen Himmel projiziert. Dann folgen bewegliche Bühnen, simultane Theaterereignisse, Rollenspiele. Bis hin zum (Brett-)„Spiel des Lebens“, in dem der Spieler schon in frühen Jahren für ein angepasstes, konsumfreudiges Dasein eingenordet wird.

Es gibt durchaus kritische Töne in dieser Schau. Es hätten ruhig ein paar mehr sein können. Im Ganzen aber ein sehr kluger, konsequenter Einstieg in die Materie, dem jedoch das Sinnliche etwas abgeht. Kurz: Man hätte gerne mehr gespielt. Marx aber wollte ausdrücklich „keinen Spieleparcours“. Und die Spieleindustrie habe kein Interesse daran, Museumsausstellungen mit Material zu beschicken, ohne horrende Gebühren zu verlangen.

Museum für Angewandte Kunst Köln; bis 4. Februar 2018. Eröffnung: Freitag, 19 Uhr. Di-So 11-17 Uhr. Katalog: 9,90 Euro

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