Breakdance beim Beethovenfest In den Straßen von Manhattan

Bonn · Die Pianistinnen Katia und Marielle Labèque haben in der Beethovenhalle ein Stelldichein mit Breakdancern und Schlagzeugern.

 Gangs of New York: Szene mit Schlagzeugern, Breakdancern und den Pianistinnen Katia und Marielle Labèque.

Gangs of New York: Szene mit Schlagzeugern, Breakdancern und den Pianistinnen Katia und Marielle Labèque.

Foto: Barbara Frommann

Diese Art der Zusammenarbeit ist neu: Der Hauptsponsor als Programmmacher. An drei Abenden in dieser Woche übernimmt die Deutsche Post DHL beim Beethovenfest am zentralen Veranstaltungsort, der Beethovenhalle, die Regie, verwandelt die sanierungsbedürftige Mehrzweckhalle vom Foyer bis zum Konzertsaal in einen hippen Event-Raum und bringt Musik auf die Bühne, die über das klassische Konzertpublikum hinaus auch andere Schichten ansprechen möchte. Gerne jüngere, natürlich. Am ersten Abend kam das klassische Klavierduo Katia und Marielle Labèque mit Verstärkung durch einige Schlagzeuger, Elektronik-Tüftler und Breakdancer, um Variationen über William Shakespeares Liebestragödie „Romeo und Julia“ zu präsentieren. Schon der veränderte Bühnenaufbau für die drei Abende ist ungewöhnlich: Er besteht aus einem vor der Bühne errichteten Podest, der eine neue Raumsituation schafft, ohne jedoch die klassische Guckkastenperspektive aufzugeben. Für den Umbau mussten zahlreiche Zuschauerstühle weichen. Die restlichen Plätze waren am Labèque-Abend gut besetzt.

Am Anfang hörte man Fingerschnippen, Pfeifen. Unverkennbar: Leonard Bernsteins „West Side Story“. Die Schwestern Labèque gesellten sich in diesem „Prologue“ gleich mit ihrem ungemein groovenden Pianospiel dazu, jazzig bis in die sensiblen Fingerspitzen. Zwar hat der Musiker Irwin Kostal, der schon bei der Orchestrierung des Originals seine Hände im Spiel hatte, das Klavier-Schlagzeug-Arrangement schon in den 1980er Jahren für die beiden Französinnen geschrieben, doch in der Beethovenhalle erklang die Musik so inspiriert, als wäre sie gerade erst erfunden worden. Den Mambo spielten sie, zum Rhythmus der beiden Schlagzeuger Raphaël Ségunier und Gonzalo Grau, mit ungeheurer Verve und einem mitreißenden Drive. „Cool“ wurde seinem Titel durch ihr perfekt getimtes Spiel absolut gerecht. Und der wunderbare Song „Maria“ zeigte, dass Gefühl, um zu wirken, nicht in Kitsch abgleiten muss. Das grandiose „America“ hoben sich die Schwestern als mitreißendes Finale auf. Als Zugabe folgte der Mambo mit Tanzeinlage.

Bei Leonard Bernstein rivalisieren nicht die veronesischen Familien der Capulets and Montagues, sondern die Manhattaner Gangs Sharks und Jets. Im Grunde ist der zweite Teil des Programms, David Chalmins „Star-Cross'd Lovers“ für zwei Klaviere, E-Gitarre, Schlagzeug, elektronische Beats und sieben Breakdancer eine zeitgemäße Variante des Bernstein-Stoffes. Auch hier bekämpfen sich Großstadtgangs, wahrscheinlich ebenfalls in Manhatten oder der Bronx, in deren Straßen die Tanzrichtung in den frühen 1970er Jahren aufkam. Wenn man mit den Mitteln des Breakdance eine Geschichte erzählen will, eignet sich die von Romeo und Julia ganz besonders, weil der Kampf, der „battle“, wesentlicher Teil der Breakdance-Kultur ist. Choreograf Yaman Okur gibt den in zwei Gangs aufgeteilten Tänzern Hugo de Vathaire, Peter Bordage, Jean Baptiste Matando, Antonio Gaston Mvuani, Jackson Ntcham und Mahamadou Gassama sehr viel Raum, jede Menge „Footworks“ und „Powermoves“ zu zeigen, da kreisten Beine wie Windmühlen bei Stärke 9, sie robbten wieselflink über den Boden, sprangen, die Beine in der Luft, auf einer Hand. Alles sehr, sehr athletisch und sehr, sehr männlich. Die zierliche Maëlle Dufour zeigte zwar auch bemerkenswerte Hip-Hop-Moves, doch ihre eigentliche Stärke lag im Ausdruck, was durch die installierten Video-Wände noch intensiviert wurde. Ausdruck war natürlich in der großen Liebesszene gefragt, die musikalisch zu den ruhigeren Episoden zählte. Überhaupt ahmt Chalmins Musik wenig den Hip-Hop nach, sondern setzt auf eigenständige klänge. Die Labèques belebten die Komposition mit ihrem Spiel auf subtile Weise, auch Komponist Chalmin an der Gitarre und die Schlagzeuger sorgten für ebenso ungewohnte wie spannende Musik. Viel Applaus und ein paar weitere Moves als Zugaben, darunter eine witzige Zeitlupeneinlage des Choreografen Yaman Okur.

Die Reihe endet am Freitagabend, 7. Oktober, 20 Uhr, mit einem eher klassischen Konzert. Das junge, britische Aurore Orchestra spielt unter Leitung von Nicholas Collon Werke von Brett Dean („Testament“), Richard Strauss (Oboenkonzert, Solist: François Leleux) sowie Wolfgang Amadeus Mozart (Jupiter-Sinfonie). Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen.

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