Premiere in der Oper Bonn: "La Bohème" Im Café der verlorenen Jugend

Bonn · Opernregisseur Jens-Daniel Herzog spricht über seine Inszenierung von Puccinis „La Bohème“, die am Sonntag in Bonn Premiere hat. Herzog ist kein Provokateur.

Eine Frage der Schuld: Szene aus dem Leben der Bohème.

Eine Frage der Schuld: Szene aus dem Leben der Bohème.

Foto: thilo beu

Der „Rinaldo“ von Händel sei für ihn einer der Gründe gewesen, warum er überhaupt zur Oper gegangen sei, bekennt Jens-Daniel Herzog. In Bonn kennt man ihn als Regisseur eben dieser Oper, die hier ebenso zum Publikumsliebling avancierte wie in Zürich und am Opernhaus in Dortmund, wo Herzog als Intendant zu Hause ist. „In einer Barockoper hat man 40 lose zusammenhängende Arien mit kaum einer Geschichte. Da kann ich als Regisseur fast als Autor auftreten, weil ich die Arien erst zu einer sinnvollen Geschichte verknüpfen muss.“

Fast zwei Jahre sind seit der Bonner Premiere seiner Inszenierung vergangen, und nun ist Herzog wieder hier. Diesmal steht jedoch keine Barockoper auf dem Programm, sondern mit Giacomo Puccinis „La Bohème“ ein echter Repertoire-Klassiker, den nahezu jedes Opernhaus im Köcher hat. Die tragische Geschichte um eine Gruppe mittelloser Künstler und die junge, todkranke Mimi weiß jeder Opernfan nachzuerzählen. Außerdem lässt die nach Henri Murgers Roman „Les scènes de la vie de bohème“ gestrickte Oper den Regisseur nicht die Freiheit, als Co-Autor das Bühnengeschehen nach seinem Willen zu bestimmen. „Alles scheint hier festgelegt zu sein: Die Geschichte, die Figuren sind klar umrissen, bis in die musikalische Ausformung hinein. Und dann steht man davor und sagt sich: Die Oper hat jetzt auch schon mehr als 100 Jahre ohne Regisseur funktioniert ...“ Klar ist die Bemerkung ein wenig überspitzt. Dass es schon großartige Inszenierungen von Puccinis Meisterwerk gegeben hat, weiß Herzog, dessen Karriere 1990 als Assistent von Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen begann, natürlich. „Aber sie funktioniert in sich“, sagt er über die „Bohème“.

Sie bedürfe keiner Ergänzungen. Bei solch populären Werken würden sich im Laufe der Zeit Bilder zwischen das Stück und seine Rezipienten schieben, zu denen das Publikum ebenso zähle wie der Regisseur. „Diese Bilder haben wir weggeräumt“, sagt Herzog. „Und wir haben die 'Bohème' zu unserem Stück gemacht.“ Das wäre einfach, wenn man dem Stück Gewalt antäte. „Aber das ist nie meine Sache“, sagt Herzog. Sein Arbeitsansatz sieht so aus, dass er versucht, Tabula rasa zu machen und das Stück wie eine Uraufführung zu erzählen.

Im konkreten Fall hat ihm der Roman „Im Café der verlorenen Jugend“ des französischen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano sehr geholfen, der darin von der jungen, geheimnisvollen Louki erzählt, die in einem Café die Aufmerksamkeit einer Bohème auf sich zieht. „Der Roman versucht, das Leben dieser Frau aus verschiedenen Perspektiven zu rekonstruieren. Und man erfährt am Ende, dass sie Selbstmord begangen hat. Und alle, die sie beschreiben, untersuchen ihre eigene Schuld am Tod der Frau.“ Durch diese Geschichte habe sich Puccinis „Bohème“ für ihn „ganz neu aufgeblättert“.

Herzog ist kein Provokateur. Als Intendant in Dortmund, wo er selbst zwei Inszenierungen pro Jahr macht, weiß er um die Bedeutung des Publikums. „Oper für alle“, lautet sein programmatischer Ansatz. „Wir haben unser Publikum gefunden. Wir hatten in der letzten Saison bis zu 82 Prozent Auslastung und kamen von 39 Prozent, als ich es 2011 übernommen habe.“ Die nächste Karrierestation ist dann Nürnberg. Dort wird er ab 2018 als Staatsintendant am Nürnberger Staatstheater erstmals Chef eines Dreispartenhauses.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, im Opernhaus. Karten für „La Bohème“ in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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