Sängerin Stefania Adomeit im Interview Ihre Lieder sind gelebtes Leben

BONN · Die Bonner Sängerin Stefania Adomeit interpretiert seit 25 Jahren die Chansons der legendären Französin Edith Piaf. Zurzeit feiert sie mit einem eigenen Tourneeprogramm über das Künstlerpaar Frédéric Chopin und George Sand bundesweit Erfolge.

 Stefania Adomeit: Die Piaf-Interpretin steht auch auf Beethoven

Stefania Adomeit: Die Piaf-Interpretin steht auch auf Beethoven

Foto: Benjamin Westhoff

Etwas höher hängt das Dokument von der Künstlerwerdung der zierlichen Frau mit den roten Haaren. Eine Travestie-Show in der Biskuithalle, September 1991. Adomeit singt „La vie en Rose“ und „Non, je ne regrette rien“ – der Spatz von Bonn war geboren. Die approbierte Apothekerin machte ihr Hobby zum Beruf, arbeitete sich das komplette Repertoire des weltberühmten Originals drauf und bespielte bundesweit die Bühnen.

Ihr Alter will sie partout nicht verraten, da bleibt sie sich treu im Kampf gegen jeden Jugendwahn. Dabei mag sie eigentlich Zahlen, Fakten und vor allem Partituren. Die Liebe zum Detail erwies sich als Erfolgsrezept beim aktuellen Projekt: Auf Anregung ihres Bonner Veranstalters Oliver Gabriel konzipierte Stefania Adomeit vor zwei Jahren eine musikalische Erzählung für die Bühne.

„Ein Winter auf Mallorca“ thematisiert den Mallorca-Aufenthalt des Komponisten Frédéric Chopin, der sich im strengen Winter 1838/39 mit der Schriftstellerin George Sand in Valldemossa einquartiert hatte. Adomeit liest auf der Bühne aus den Erzählungen der Lebensgefährtin, der russische Pianist Vladimir Mogilevsky spielt die auf Mallorca entstandenen Chopin-Kompositionen, auf einer Leinwand sind Landschaftsimpressionen zu sehen.

Dieses vermeintliche Nischenprogramm für bildungsbürgerliche Matineen entwickelte schnell eine Eigendynamik – mit zwei ausverkauften Vorstellungen in der Beethovenhalle und einer Tournee. „Ausverkauft“ meldeten auch das Gewandhaus in Leipzig und der Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Am 27. November startet Adomeit nun in Halle ihre zweite Mallorca-Reise durch Deutschland. Zuvor wärmt sie sich in der Harmonie auf. Dort gibt der Spatz von Bonn den Spatz von Paris. Mit der Sängerin sprach Heinz Dietl.

GA: Der Spatz von Bonn – können Sie mit der Bezeichnung leben?

Stefania Adomeit: Die Medien haben mir diesen Titel gegeben, und ja, ich freue mich darüber.

GA: Immerhin attestiert man Ihnen damit gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Original. Wann und wie haben Sie die Piaf für sich entdeckt?

Adomeit: Ihre Chansons berührten mich schon als Kind. In meiner frühesten Jugend bin ich nach Paris gereist, habe als Au-pair gearbeitet. Ich wollte die Stadt erleben und die Stätten besuchen, an denen Piaf gewirkt hat.

GA: Hat Piaf damals noch gelebt?

Adomeit: Nein.

GA: Womit wir Ihr Alter, das Sie nicht verraten möchten, zumindest eingekreist hätten, oder?

Adomeit: Das macht mir in diesem Fall nichts aus. Mein Gesicht verrät das Alter.

GA: Wo haben Sie Edith Piafs Spuren entdeckt?

Adomeit: Im Moulin Rouge, wo sie aufgetreten ist. Und ich wollte zum Montmartre, wo sie einst auf Knien hochgerutscht war mit dem Versprechen, dem Alkohol abzuschwören.

GA: Edith Piaf hatte nicht gerade wenige Liebesbeziehungen, oder?

Adomeit: Sie brauchte die Liebe, um singen zu können.

GA: Braucht man das als Piaf-Interpretin auch?

Adomeit: Liebe braucht Zeit.

GA: Lassen Sie sich Zeit mit der Antwort.

Adomeit: Wenn ich persönlich Liebe erfahren habe, bin ich damit jedenfalls nie in die Öffentlichkeit gegangen.

GA: Im Gegensatz zur Piaf. Was war denn mit Yves Montand?

Adomeit: Ach, das fing viel früher an – mit Raymond Asso, Henri Contet, Michel Emer, Eddie Constantin, dann all die Pianisten. Sie wurde verlassen – und sie hat verlassen. Ihre Lieder waren gelebtes Leben.

GA: Mit welchen Plänen kamen Sie seinerzeit zurück nach Bonn?

Adomeit: Ich wollte die Sprache lernen, um sie perfekt zu sprechen – weil ich wusste, dass ich Piaf singen würde.

GA: Als singende Apothekerin in Bonn?

Adomeit: Ich habe Pharmazie studiert mit dem Abschluss der Approbation, weil mein Vater darauf bestanden hatte, dass ich ein festes Standbein habe, bevor ich Musik studiere.

GA: Haben Sie als Apothekerin gearbeitet?

Adomeit: Ja, aber ich habe zudem Musikwissenschaft studiert, eine klassische Gesangsausbildung absolviert und in Chören gesungen, auch im Opernchor. Durch einen Zufall geriet ich an den Fotografen und Travestiekünstler Max Kohlhaas, der eine Sängerin für seine Show in der Biskuithalle suchte.

GA: Erlebten Sie diesen Auftritt als Ihren künstlerischen Urknall?

Adomeit: Kann man so sagen. Für mich unfassbar. Es folgten Shows in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Bremen.

GA: Was sind bei Piaf die Herausforderungen als Sängerin? Das rollende R?

Adomeit: Das musste ich nicht lernen, das ist mir angeboren. Das Argot Parisien, die typische Sprache der Pariser, habe ich trainiert. Das war nötig, schließlich kam die Piaf aus der Gosse.

GA: Was ist mit den besonders emotionalen Momenten?

Adomeit: Als ausgebildete Mezzosopranistin habe ich damit technisch keine Probleme. Ich kann auf der Bühne auch schreien, ohne meine Stimmbänder zu beschädigen.

GA: Spielen Sie an diesem Sonntag in der Harmonie Ihr komplettes Piaf-Programm?

Adomeit: Ja. „Das Leben der Edith Piaf in Bildern und Chansons“ mit vielen Fotos, die ich in Archiven gefunden habe. Zum Beispiel Aufnahmen von Piafs Hochzeit mit dem jüngeren Theo Sarapo, als die Fans schrien: „Ja, heirate ihn, heirate ihn!“

GA: Was sagt, was gibt uns die Piaf heute?

Adomeit: Man muss sich nur an die Terroranschläge vom 13. November 2015 in Paris erinnern. Was haben die Pariser in ihrer Trauer gesungen? „L’hymne à l’amour“. Piaf ist Frankreich.

GA: Und wie reagieren eigentlich die Franzosen, wenn eine Deutsche ihre Piaf singt?

Adomeit: Bei einigen Konzerten, auch in Luxemburg, hat man mich für eine Französin gehalten. Ich war glücklich.

GA: Jetzt gehen Sie erneut mit „Ein Winter auf Mallorca“ auf Tournee. Wie ist diese Produktion entstanden?

Adomeit: Mein Veranstalter Oliver Gabriel und ich sind auf diese Geschichte gestoßen. George Sand und der lungenkranke Chopin erleben in totaler Armut diesen bitteren Winter 1838/39 in Valldemossa. In wilder Ehe, ein Affront für die Bevölkerung. Und diese emanzipierte Frau aus der Pariser Künstlerszene trotzt allen Widerständen.

GA: Das Publikum ist begeistert. Konnte man damit rechnen?

Adomeit: Bei der Premiere in der Beethovenhalle keimte bereits bei den Sprechpassagen immer wieder Applaus auf, das hat mich zunächst überrascht.

GA: Eine Erklärung?

Adomeit: Ich spreche nicht wie ein Schauspieler, für mich ist Sprache Musik. Das überträgt sich. Auch die zweite Vorstellung in Bonn war ausverkauft, dann zweimal Gewandhaus Leipzig.

GA: Im Dezember gastieren Sie in der Berliner Philharmonie. Wo soll die Reise noch hingehen?

Adomeit: Die Philharmonie war ebenfalls ganz schnell ausverkauft. Wir haben sie gleich noch einmal gebucht. Für 2017. Aber dann den großen Saal – mit 2000 Plätzen.

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