Kunstmuseum: Programm 2017 Hommage an den Skeptiker

Bonn · Das Jahresprogramm 2017: Gerhard Richter wird 85 und auch das Kunstmuseum Bonn feiert mit. Außerdem gibt es eine Werkschau von Georg Herold, eine Videonale und zwei große Bonner Sammlungen im Porträt.

 Thomas Struth: "The Richter Family", 2002.

Thomas Struth: "The Richter Family", 2002.

Foto: Struth

Im Moment brummt der Laden: Zwischen 700 und 800 Besucher wollen jeweils samstags und sonntags die wunderbaren Bilder von Beckmann, Munch, Spillaert und Bonnard in der exzellenten Ausstellung „Unheimlich“ im Kunstmuseum Bonn sehen, rund 15 000 waren es bisher. Intendant Stephan Berg ist zufrieden, rechnet mit einer Besucherzahl „knapp unter 100 000“ für 2016, was im Durchschnitt liegt. Offenbar schätzt das Publikum Themenausstellungen wie „Unheimlich“ aktuell oder früher „TeleGen“, „Mit anderen Augen“, „Echtzeit“ und „New York Painting“. Die Bonner Institution hat damit weit sichtbare Ausrufezeichen gesetzt, jede dieser fünf Ausstellungen hat neue Perspektiven eröffnet und Themenfelder erschlossen. Und jede war ein Kraftakt (der sich unbedingt gelohnt hat): Bei einem konsumptiven Etat von rund 1,5 Millionen Euro, aus dem gegenwärtig 870 000 Euro allein für Bewachung fällig sind und nur 300 000 Euro für Ausstellungen bereit stehen – so viel hat allein „Unheimlich“ gekostet – eine sportliche Aufgabe.

Berg nimmt sie erneut an und präsentiert für 2017 ein vielversprechendes Programm, das neue Schwerpunkte setzt und handfeste Überraschungen parat hat. Großes Thema ist das der Sammlung und was sie für die Identität eines Museums und einer Stadt bedeutet. Bonn besitzt eine faszinierende Kollektion, die immer wieder neu befragt und präsentiert werden will. Ende 2017 ist wieder Zeit für eine Rochade – Zeit für spannende Einsichten. Doch Bonn arbeitet auch mit anderen Sammlungen, hat aus dem Grothe/Ströher-Debakel gelernt und faire Modelle erarbeitet. Etwa mit der Bonner KiCo, die über rund 1000 Werke „mit großen Parallelen zur Kunstmuseums-Sammlung“ (Berg) umfasst, die sie über eine Stiftung dem Kunstmuseum Bonn und Lenbachhaus München zur Verfügung stellt.

Beide Institutionen richten KiCo eine Schau aus (ab Mai). Seit Mitte der 90er Jahre kooperieren KiCo und das Kunstmuseum, seit Bergs Antritt ist die Zusammenarbeit intensiver – wie man an mehreren Künstlerräumen im Haus sieht. „Mentales Gelb, Sonnenhöchststand“ lautet der Titel der Schau, abgeleitet von einem Riesenpullover Erwin Wurms. Der Hausherr und sein Vize Christoph Schreier präsentieren KiCo.

Beziehungen bestanden auch zwischen dem in Bonn geborenen Mediziner Wilfried Fitting sowie seiner Frau Gisela und dem Kunstmuseum. Er starb 2012, die Kunstwerke gingen in eine Stiftung über, das Kunstmuseum profitiert von Arbeiten von Max Ernst und Hans Arp, Georges Braque, Pablo Picasso und Eduardo Chillida. „Eine edle Wohnzimmersammlung – mehr Kammermusik als große Oper“, sagt Berg und freut sich darüber, dass man nun Lücken in der klassischen Moderne jenseits der Bonner Bestände von August Macke und Max Ernst schließen kann. „Von der Liebe zu den Dingen“ heißt die von Volker Adolphs kuratierte Schau (ab November).

Richters Frühwerk in einer Ausstellung

2017 ist auch das Jahr, in dem der Megakünstler Gerhard Richter 85 und überall gefeiert wird. Kurator Schreier hat sich ein originelles Thema aus dem Frühwerk einfallen lassen: Ab Mitte Juni geht es um die Vorhänge und Fenster, um Richters Bilderskepsis und ein Spiel mit der Scheinhaftigkeit der Kunst. Richter sei, so Berg, sofort auf das Thema angesprungen und schickt eine Scheibenarbeit von 1998/2016 aus dem Atelier nach Bonn, wo sie auf Werke der Sammlung und Leihgaben trifft. „Über das Bild Kritik am Bild zu üben – das macht ihn so bedeutsam“, urteilt Berg über Richter. Die zweite monografische Ausstellung feiert Georg Herold, Schüler Sigmar Polkes, ein Mann aus dem Kreis um Martin Kippenberger und Albert Oehlen, einer, der herrlich ironisch ist, heftig provoziert, eine der spannendsten Positionen an der Nahtstelle zwischen Skulptur/Objektkunst und Malerei (ab Ende September).

Eine jüngere, sehr aufregende Position wird uns die gebürtige Bonnerin Barbara Scheuermann vorstellen, die nach Stationen in Düsseldorf, London und Ludwigshafen als Kuratorin auf Stefan Gronert folgt, den es ans Sprengel Museum Hannover verschlagen hat. Scheuermann wird die in Tunis geborene Medien- und Installationskünstlerin Nadia Kaabi-Linke zeigen (ab Ende Oktober). Sally Müller präsentiert zum Abschluss ihres Volontariats am Kunstmuseum das schwedische Duo Lundahl & Seitl, das sich mit Audioperformances einen Namen gemacht hat und für Bonn eine eigene Arbeit konzipieren wird (ab Mitte März). Die Schau befindet sich in zeitlicher und inhaltlicher Nähe zum Festival Videonale, das in seiner 16. Ausgabe Mitte Februar startend um „Das Leben als Dauerperformance“ kreist.

Und sonst? Karin Kneffel wird unter Sabina Leßmanns Regie für Kinder und Jugendliche einen Raum voller Bilder hängen (ab Ende April). Die gerade gestartete Reihe „Ausgezeichnet“ mit Stipendiaten der Stiftung Kunstfonds wird mit Viktoria Binschtok fortgesetzt.

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