Premiere im Theater Marabu Hänsel und Greta im 21. Jahrhundert

Bonn · Im Theater Marabu feiert „Good Game Gretel“ unter Regie von Christina Schelhas eine beeindruckende Premiere.

 Hänsel und Gretel im 21. Jahrhundert.

Hänsel und Gretel im 21. Jahrhundert.

Foto: Marabu

Im Jahre 19 des 21. Jahrhunderts tragen Hänsel und Gretel einen weißblonden Pagenkopf, dazu Shirt und Shorts und Turnschuhe mit langen weißen Socken darin. Ist das etwa die richtige Kleidung, um sich allein durch den dunklen Wald zu schlagen? Dort, wo ihre Eltern sie ausgesetzt haben – so schlicht und brutal, wie Märchen mitunter sein können. Wie weit hätten die beiden denn kommen sollen – mit einem lächerlichen Stück Brot, das Hänsel (Henning Jung) zudem zerbröselt hat, um so den Weg zu markieren. Das war, bevor die Vögel die Krumen aufgefressen haben. Und Gretel (Alina Rohde) kann darüber den Kopf schütteln.

So ist er nun mal, ihr jüngerer Bruder; voller Ideen und ebenso unerfahren. Sie, die Ältere, dagegen ist diejenige mit dem Plan. Aber auch eine Heulsuse. Behauptet jedenfalls die mechanisch verfremdete Stimme aus dem Off, die die Geschwister in den folgenden 60 Minuten durch das Computerspiel auf der Bühne des restlos ausverkauften Theaters Marabu führen wird. 60 Minuten für „Good Game Gretel“ unter Regie von Christina Schelhas, die dort schon mit „Griff, der Unsichtbare“ im August 2015 eine beeindruckende Visitenkarte abgegeben hat. Diese Uraufführung jetzt – ein Märchen über vier Level – beruht auf umfangreichem Recherchematerial zum Thema „Tagesobdachlosigkeit bei Kindern und Jugendlichen“, das die Schauspielerin Alina Rohde während ihres NRW Stipendiums am Theater Marabu zusammengetragen hat.

Liebe zum Detail

Eigentlich könnten Hänsel und Gretel im Jahre 19 des 21. Jahrhunderts auch gerade jetzt auf einem Schulhof oder in einem Jugendtreff mit ihren Smartphones zusammen stehen und spielen. Nach Hause wollen sie nicht gehen. Was sollten sie da, wo ja doch niemand ist, die Räume verwaist? Die Eltern arbeiten rund um die Uhr; entweder, weil sie müssen oder weil sie mit den ihnen längst fremd gewordenen Kindern gar nichts anzufangen wüssten. Das ist der ernsthafte, der tiefere Grund, auf dem diese kurzweilige, mit viel Liebe zum Detail ausgestattete und von der ansteckenden Spielfreude der Protagonisten lebende Produktion fußt.

Also arbeiten die beiden sich beherzt und einfallsreich Level für Level vorwärts, bekommen es mit sprechenden Spiegeln und rappenden Zwergen zu tun. Mit einem glutrot leuchtenden Ofen und in der gleichen Farbe lackierten Nägeln an der sinistren überdimensionalen Hand der Hexe. Die „Zitate“ aus anderen Märchen und Computerspielen wurden von Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 14 Jahren aus zwei Klassen der Realschule Beuel und des Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums publikumsgetestet und haben nun auch den Premierencheck mit hörbarem Erfolg durchlaufen, wie zu guter Letzt der langanhaltende Schlussapplaus, das Fußtrampeln und die Bravo-Rufe bestätigten.

Die nächsten Aufführungen: 3. und 4. Juni, jeweils 10 Uhr, weiter Termine nach der Sommerpause.

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