CD-Zyklus "Beethoven today" Gebürtiger Bonner nimmt Beethovens Sinfonien auf

Köln · Der Dirigent und Pianist Dirk Joeres im Gespräch über sein Projekt mit der Westdeutschen Sinfonia. Drei Sinfonien sind bereits erschienen.

Man kann das Unterfangen wagemutig nennen, wenn ein Orchester wie die Westdeutsche Sinfonia Leverkusen kurz vor dem 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens damit beginnt, dessen sämtliche neun Sinfonien einzuspielen. Die Konkurrenz ist riesig. Natürlich weiß auch der Dirigent Dirk Joeres, dass er mit seiner Einspielung gegen Größen wie Herbert von Karajan, Nikolaus Harnoncourt, Riccardo Chailly oder Paavo Järvi antritt. „Wenn wir einfach nur einen weiteren neuen Beethoven-Zyklus anbieten würden, könnte man das hinterfragen. Mir war deshalb von Beginn an klar, dass wir da eine Besonderheit in unser Projekt hereinbringen müssen“, sagt Joeres im großzügig geschnittenen „Firmensitz“ der Westdeutschen Sinfonia, der nur ein paar Gehminuten entfernt vom Kölner Hauptbahnhof liegt.

Unter anderem liegt den CDs des „Beethoven today“ getauften Zyklus jeweils eine DVD bei, auf der Joeres in englischer Sprache („für den internationalen Markt“) seinem Publikum die Musik Beethovens erläutert. Die sehr erhellenden Beiträge sind natürlich mit deutschen Untertiteln versehen. Die Vermittlung von Hintergrundwissen ist Joeres sehr wichtig. „Was die musikalische Allgemeinbildung angeht, befinden wir uns im Sinkflug. Wir kennen alle die unerfreuliche Situation mit Musik in der Schule. Das wird immer weiter reduziert. Die Leute, die eine Sinfonie von Beethoven oder Brahms, bevor sie sie im Konzert hören, vierhändig am Klavier spielen, sind selten geworden“, sagt der Musiker halb scherzend.

Doch selbst für einen erfahrenen Musiker, wie dem 1947 in der Beethovenstadt Bonn geborenen und in Siegburg aufgewachsenen Pianisten und Dirigenten Joeres, gibt es noch immer viel Neues zu entdecken.

In Vorbereitung auf den Zyklus hat er sich zum Beispiel in die Skizzenbücher Beethovens vertieft, anhand derer man heute die Genese vieler Werke vom ersten Einfall bis zur Partiturniederschrift verfolgen kann. Und wie der Komponist um die endgültige Gestalt gerungen hat. „Wenn wir das heute hören, denken wir, dass es ja nur so und nicht anders sein kann. Aber so ist es nicht. Und dafür sollte man eine größere Öffentlichkeit auch einmal sensibilisieren.“

Mühsamer Weg zur Einfachheit

Gerade im Fall der Sinfonie Nr. 3, der „Eroica“, deren Aufnahme gerade erschienen ist, seien die Skizzenbücher sehr gut dokumentiert. „Die Skizzen verraten uns, dass die Eröffnungsakkorde der 'Eroica' ursprünglich nicht so klingen sollten, wie wir sie kennen. Wir können hier sehr schön den mühsamen Weg zur Einfachheit erkennen. Das war für mich völliges Neuland.“ Dass er auf der CD der „Eroica“ die „Eroica“-Variationen für Klavier folgen lässt, ist auch so eine sehr sinnfällige Besonderheit, die Joeres' Aufnahme der Sinfonie auszeichnet.

Die vor 31 Jahren von Joeres gegründete Westdeutsche Sinfonia setzt sich aus Musikern aus insgesamt acht Orchestern aus Nordrhein-Westfalen zusammen. Unter anderem machen Mitglieder des Bonner Beethoven Orchesters, des Kölner Gürzenich-Orchesters, des WDR Sinfonieorchesters und der Düsseldorfer Symphoniker in dem Orchester mit. In Leverkusen ist es mit der eigenen Konzertreihe „Klassiksonntag!“ präsent, darüber hinaus unterhält das Orchester eine rege Gastspieltätigkeit.

Was die musikalische Interpretation der Sinfonien Beethovens angeht, weiß Joeres um die Tradition: „Es gab sehr viele unterschiedliche Ansätze. Wir hatten den romantischen Beethoven, dann gab es den objektivierten, strukturell durchleuchteten, dann natürlich die historische Aufführungspraxis. Jetzt sind wir an einem Punkt, diese verschiedenen Herangehensweisen gut überblicken zu können. Ich denke, dass der aus der Wagner-Tradition kommende, schwere Stil nicht mehr wirklich zeitgemäß ist. Das hat allenfalls noch einen geschichtlichen Stellenwert.“ In dieser „Verklärungstradition“, wie Joeres sie nennt, wurden die überlieferten Metronomangaben Beethovens konsequent ignoriert. Da hält Joeres es eher mit der historisch informierten Aufführungspraxis, in der die meist extrem schnellen Tempoangaben Beethovens sehr ernst genommen werden. „Früher haben die Dirigenten das so gemacht, wie es sich für sie am besten anfühlte.“

Auch in gewissen Artikulationsfragen folge man den jüngeren Erkenntnissen. Aber sagt auch: „Der entschlackte, man kann auch sagen dürre Klang, der einem da manchmal begegnet, entspricht weniger meiner Vorstellung. Mir ist an der größtmöglichen Transparenz gelegen. Dinge hörbar und verfolgbar zu machen.“

In der Reihe „Beethoven today“ (Heritage) der Westdeutschen Sinfonia sind bislang zwei CDs (plus DVDs) erschienen: die Sinfonien Nr. 1 & 2 sowie die Sinfonie Nr. 3 (Eroica) mit den „Eroica“-Variationen für Klavier.

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