Kasalla im Interview Fünf kölsche Jungs

BONN · Die Kölner Band Kasalla geht mit einem neuen Album auf Deutschlandtournee und spielt sich dabei warm für 200 Termine in der kommenden Karnevalssession.

 Beste Aussicht: Flo Peil, Bastian Campmann, Sebi Wagner, René Schwiers, Nils Plum (von links) beim Fototermin auf der Hohenzollernbrücke in Köln

Beste Aussicht: Flo Peil, Bastian Campmann, Sebi Wagner, René Schwiers, Nils Plum (von links) beim Fototermin auf der Hohenzollernbrücke in Köln

Foto: Ben Wolf

GA: Ausverkaufte Konzerte, Platz 5 für das neue Album – was passiert da gerade mit Kasalla?

Bastian Campmann: Gute Frage. Wir staunen selbst immer wieder, wie schnell manche Dinge geschehen – mit einer Band aus Köln, die kölsch singt.

GA: Kasalla funktioniert bundesweit. Wer kommt zu Konzerten in Berlin, Hamburg oder München?

Campmann: Exil-Kölner und interessierte Leute, die von Freunden mitgenommen werden. Das zeigt: Es geht nicht nur darum, die Texte zu verstehen, sondern auch um die Musik, und wie man sie rüberbringt.

GA: Ihre Heimatstadt spielt die Hauptrolle auch auf dem neuen Album. Ist der Titelsong „Mer sin eins“ eine Hymne auf das multikulturelle Köln, das funktionieren kann – jenseits von Silvesternächten?

Campmann: Der Text ist universell. Wir sprechen Probleme an, die es im Zusammenleben gibt. Trotzdem meine ich, dass die Menschlichkeit über allem stehen muss. Den Begriff „Multikulti“ finde ich ohnehin nicht besonders passend.

GA: Warum nicht?

Campmann: „Multikulturell“ ist mittlerweile negativ behaftet und auch nicht zu jedem Zweck immer erstrebenswert.

GA: „Dausend Levve“ ist ein Kompliment an die Stadt. Können Sie denn ohne Köln leben?

Campmann: Ich sehe die Sache so, wie ich sie singe: Wenn ich tausend Leben hätte, würde ich tausend Leben hier leben und auch alle Fehler am liebsten hier machen. Jede Stadt hat ihr Klischee, und der Kölner gilt halt als selbstverliebt.

GA: Ist er das nicht?

Campmann: Es trifft in Teilen zu, aber: Wenn man sich selbst nicht liebt, dann kann man auch andere nicht lieben. Das heißt nicht, dass ich andere Städte abqualifizieren will.

GA: Welche Idee steckt hinter dem Lied „Dat Veedel dat fählt“? Zitat: „Affrisbirne, Bagger, Kräne, die janze Stadt muss weg“.

Campmann: Es ist bei weitem nicht alles gut in Köln. Das Stück bezieht sich allerdings auf das gesellschaftliche Umfeld insgesamt – bis hin zum Blick in den eigenen Spiegel.

GA: Dann gibt es noch „Künning vun Kölle“. Was müsste ein Kölner König beim FC ändern, der gerade auch sein Heimspiel gegen Leipzig verloren hat?

Campmann: Ich habe das Spiel gegen Leipzig gesehen, auch das gegen Belgrad. Beim Blick auf die Tabelle müsste man eigentlich extreme Angst bekommen, was ich komischerweise dieses Mal nicht habe.

GA: Was macht Sie gelassen?

Campmann: Zwei Dinge. Erstens: Es herrscht Ruhe im Verein; ich glaube, Peter Stöger kann noch ein paar Mal verlieren, er wird trotzdem Trainer bleiben. Zweitens: Ich kann auf dem Rasen keinen kompletten Zusammenbruch erkennen. Die Einstellung stimmt, in vielen Momenten fehlt einfach nur das Glück. Wir werden nicht absteigen.

GA: Apropos. Platz 5 in den Albumcharts – wohin soll die Reise mit Kasalla noch gehen?

Campmann: Es geht darum, solche Positionen auch zu halten. Daran müssen wir noch ein wenig arbeiten.

GA: Haben Sie deshalb diesen Aufwand betrieben: 18 Songs mit Streichern, Bläsern und Chören. Ist das musikalische Mitteilungsbedürfnis derart groß?

Campmann: Sieht so aus. Fleißig sind wir in jedem Fall. Und jeder Song hat seine Berechtigung. Wir machen das schließlich hauptberuflich. Man sitzt dauernd zusammen, im Studio, im Bus, das ist ein großer kreativer Pool. Es gibt noch 30 weitere Songs.

GA: Was hat es eigentlich mit dem Hundechor im Stück „Wie wenn keiner et süht“ auf sich? Ich höre da keinen Hund.

Campmann: Das sind die Herren von unserem Stammtisch, er heißt „Die untrainierten Stubenhunde“. Die Jungs machen bei jedem Album mit.

GA: Viele Refrains haben den Charakter einer Hymne. Absicht?

Campmann: Eigentlich nicht. Es entwickelt sich. Wenn ein Song danach ruft, versperren wir uns der Hymne nicht.

GA: Der moderne Kölschrock zeigt sich experimentierfreudig. Brings macht auf Polka, Querbeat gibt die Brassband, Kasalla zitiert das Mittelalter mit Drehleier und viel Flöte. Ist das der Weg zur eigenen Klangfarbe?

Campmann: Nach Plan geschieht das nicht. Auch hier ist es so, dass der jeweilige Song danach ruft.

GA: Warum gibt es ausgerechnet in Köln so viele Mundartrocker, die zudem noch gut davon leben können?

Campmann: Der Karneval ist ein unfassbarer Multiplikator. BAP macht da die absolute Ausnahme. Alle anderen Bands haben einen Bezug zum Karneval. Wenn wir mit Kasalla 200 Termine in der Session spielen, erreichen wir eine sechsstellige Zahl an Menschen. Das gibt es in anderen Städten nicht.

GA: Wie hält man als Band die Balance zwischen Karneval und dem Rest des Jahres?

Campmann: Die Session ist eine anstrengende Zeit, die auch weh tut, physisch wie psychisch, es ist ein Marathon. 200 Termine, bis zu zehn Auftritte am Tag. Aber: Man macht es gern, weil es erstens ein Teil der Kultur ist und uns zweitens den Spielraum gibt, außerhalb der Session andere Dinge zu tun, etwa die aufwendigen Theaterproduktionen in der Volksbühne am Rudolfplatz.

GA: Vor einem Jahr erhielt Kasalla das Angebot, in der Lanxess Arena zu spielen. Man musste Sie damals überreden. Warum?

Campmann: Der Respekt vor der dieser Größe war gewaltig. Hallo, die Lanxess Arena!

GA: Dann spielten Sie doch. Das Konzert war ausverkauft, ein zweites ebenfalls. 26 000 Besucher an zwei Tagen. Was ging in Ihnen vor?

Campmann: Es war eine der unwirklichsten Erfahrungen überhaupt. Du steht auf der Bühne, schaust ins Publikum und denkst: Warum seid Ihr hier? Warum schenkt Ihr uns Eure Zeit? Wir sind doch nur fünf Jungs, die kölsche Lieder singen!

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