Kabarettistin Hazel Brugger im GA-Interview Für Hazel geht es Schlag auf Schlag

Bonn · Sie ist die spannendste Entdeckung des Kabaretts: Hazel Brugger (22) gastiert am 8. November mit ihrem Debütprogramm im Bonner Pantheon. BOULEVARD traf die Deutsch-Schweizerin mit amerikanischem Pass in Köln zum Interview.

 Hazel Brugger: Die Schweizerin startet auf deutschen Bühnen durch - und im Fernsehen sowieso

Hazel Brugger: Die Schweizerin startet auf deutschen Bühnen durch - und im Fernsehen sowieso

Foto: Peter Hauser

GA: Sie sind derzeit in aller Munde. Wie konnte das passieren?

Hazel Brugger: Fragen Sie die Munde! Ich bin da so reingerutscht, die Leute interessieren sich für mich. Erst ist das in der Schweiz passiert, und jetzt passiert es in Deutschland wieder. Und ich weiß nicht, warum. Aber das flacht auch wieder ab. Die Leute werden sich bald nicht mehr für mich interessieren.

GA: Glauben Sie das wirklich?

Brugger: Je nachdem, wie man „bald“ auslegt, glaube ich das schon, ja. Es wird hoffentlich noch lange so sein, dass ich etwas mache, was das Publikum konsumieren will. Aber dass die Leute ungefragt wissen wollen, was ich gerade treibe, das kann sich nicht ewig halten. Dafür haben die Menschen einfach zu viel zu tun.

GA: Sie sind eigentlich das genaue Gegenteil von Show-Kanonenfutter, das durch den medialen Durchlauferhitzer gejagt wird. Spricht es für Ihre Bescheidenheit, wenn Sie sich selber erst einmal so vorsichtig einordnen?

Brugger: Ich muss mir das natürlich auch aktiv so einreden: Morgen interessiert sich niemand mehr für mich, und dann ist es doch nicht so, und ich freue mich. Für die Zukunft planen, aber nicht in der Zukunft leben, das ist ja der Spagat. Das Schwierigste am Entertainment-Betrieb ist, dass man sein Schamgefühl an der Türschwelle zurücklassen muss, dann aber nicht vergessen darf, es beim Rausgehen wieder mitzunehmen. Es ist auch der einzige Betrieb, in dem der Begriff „schamlos“ positiv verwendet wird.

GA: Was macht das mit den Akteuren?

Brugger: Man muss sich wohl immer wieder sagen: Schäm dich. Sei bescheiden.

GA: Sie erobern gerade Deutschland: „Heute Show“, „Anstalt“, „Nuhr im Ersten“ – viel mehr geht im hiesigen Satirebereich des Fernsehens nicht, oder?

Brugger: Das Lustige ist ja, dass ich diese Sendungen von der Schweiz aus nie sonderlich wahrgenommen habe. Ich weiß jetzt, was die für einen Stellenwert haben, aber sie hatten keinen emotionalen Wert für mich. Das war jetzt weder eine Frage von Ihnen noch eine Antwort von mir (lacht).

GA: Dann haben wir das ja salomonisch gelöst. Was bekamen Sie denn als Jugendliche TV-mäßig aus Deutschland mit?

Brugger: Die Schweizer konsumieren massig deutsche Medien. Meine Eltern interessieren sich zwar nicht fürs Kabarett, aber wir haben immer „Wetten, dass?“ geschaut. Thomas Gottschalk ist für mich der Inbegriff von Entertainment. Ich glaube, ich würde immer noch weinend zusammenbrechen, wenn ich ihn sähe. Die andere große Figur war Dieter Bohlen, wobei meine Mutter nicht wollte, dass ich den schaue. Den empfand sie als zu gemein.

GA: Wie fühlt sich der Schritt von der Schweiz nach Deutschland an?

Brugger: Es war immer ein Riesen-Event, wenn ein Schweizer irgendwo im deutschen Fernsehen auftauchte. Jetzt, wo mir das passiert ist, kann ich es gar nicht mehr übersetzen. Ich weiß nun allerdings, dass es völlig egal ist, ob man Schweizer ist oder nicht. Man kann aber generell sagen: Als Schweizer nach Deutschland zu gehen, ist fast so, als würde ein Deutscher nach Amerika gehen.

GA: Auf der Bühne halten Sie sich gar nicht erst mit den üblichen Schweizklischees auf. Eine prinzipielle Entscheidung?

Brugger: Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Schweizer. Deswegen war ich in der Schule auch nicht „die Schweizerin“. Wir mussten in der Schule Hochdeutsch reden, also zumindest das, was wir Hochdeutsch nennen. Ich habe dann immer mit Akzent gesprochen, weil ich mich geschämt habe, dass ich Hochdeutsch eigentlich kann. Und damit fällt man auf: Ich war sofort der „Dütschi“, der Ausländer, der die deutsche Mutter hat. Sie sehen: Ich habe das von Anfang an in den Knochen – seine wahre Herkunft zu verstecken.

GA: Sie sind durch Ihre Geburt in San Diego auch amerikanische Staatsbürgerin. Sie treten im Pantheon am 8. November auf, das Datum der Präsidentenwahlen. Stichwort Donald Trump – wie konnte das passieren?

Brugger: Das eine Wort, das Donald Trump beschreibt, ist „outrageous“: Er sorgt für Aufruhr und Empörung. Das Problem hinter Trump ist eine jahrzehntelange Maschinerie, die es soweit gebracht hat. Einen Pfeiler hat diese Maschinerie im zunehmenden Intellektuellenhass, eine aufflammende Wissenschaftsfeindlichkeit: Die Leute gaukeln durch eine immer einfacher werdende Selbstrecherche Expertentum vor.

GA: Ein Beispiel?

Brugger: Wenn man vor 20 Jahren etwas über das Gehirn wissen wollte, hat man einen Gehirnforscher gefragt, und man ist davon ausgegangen, dass das stimmt, was der sagt. Ein anderes Beispiel: Heute sind nur zwei von drei Kindern gegen Masern geimpft. Ich finde es wahnsinnig, dass man Jahrhunderte lange Wissenschaftsarbeit in den Wind schießt – nur aus einem Bauchgefühl heraus.

GA: Was wäre der nächste Pfeiler, der Trump zugute kommt?

Brugger: Die Political Correctness, die völlig zweckentfremdet wird. Der Sinn ist ja, dass man unnötigerweise keine Gefühle verletzt. Inzwischen werden Gefühle aber als Instrument benutzt. Man sagt: Du hast meine religiösen Gefühle verletzt. Erstens gibt es keine religiösen Gefühle. Es gibt Gefühle, die man auf seine Religion projizieren kann. Man kann einer Religion oder einer Ideologie ein anderes Gefühl gegenüber stellen, das damit nicht übereinstimmt. Dann entsteht das Gefühl einer Kränkung. Und jetzt läuft ein Kränkungswettrüsten, ein Wettbewerb im Beleidigt-Sein.

GA: Womit kann man Sie beleidigen?

Brugger: Mich kann man höchstens beleidigen, indem man sagt: Ich glaube nicht an Impfungen. Das kränkt mich in meinem Glauben an die Wissenschaft.

GA: Was passiert dann mit diesen beiden Trump-Pfeilern?

Brugger: Wenn viele weniger gut gebildete Leute immer nur mit oberflächlichen Elementen konfrontiert werden, wenn sie zum Beispiel denken „Jetzt darf ich mich nicht mal mehr über Schwarze aufregen“, wenn Sie also nur das von der Political Correctness mitnehmen – dann ist jemand wie Trump ein riesiges Ventil. Aber das passiert hierzulande auch. Der Populismus ist en vogue wie noch nie.

GA: Frau Brugger, was ist Ihr Antrieb?

Brugger: Ich weiß, es klingt unromantisch: Aber alles, was ich mache, mache ich primär, um mich nicht zu langweilen. Mir ist sehr schnell langweilig. Ich versuche also immer, irgendwo einen Stimulus zu finden.

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