Neue Klassik-CD Erlesene Kostbarkeit

Bonn · Der amerikanische Pianist Murray Perahia spielt Ludwig van Beethovens „Hammerklaviersonate“ und die "Mondscheinsonate".

 Der Virtuose als Poet: Murray Perahia.

Der Virtuose als Poet: Murray Perahia.

Foto: Harald Hoffmann/DG

„Wenn du mehr werden willst als ein Virtuose, musst du erst einmal einer werden“, hat der legendäre russische Pianist Vladimir Horowitz seinem Schüler und Protegé Murray Perahia mit auf den Weg gegeben. Der damals noch sehr junge Mann aus der Bronx in New York hat sich diese Weisheit des Älteren zu Herzen genommen und zählte schon früh zu den technisch brillanten Meistern seines Fachs. Doch anders als Horowitz selbst hat Perahia es nie darauf angelegt, für seine Hexenkünste an den Tasten gefeiert zu werden. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, John Phillip Sousa Marsch „The Stars and Stripes Forever“ in Horowitz' furiosem Arrangement mit seinen irren Sprüngen und Oktavgedonner zu spielen. Ihn haben seine poetischen Interpretationen etwa der Werke Bachs und Mozarts bekannt gemacht, für die man vordergründig nicht die Technik eines Horowitz benötigt.

Das sieht in Ludwig van Beethovens Klaviersonate op. 106, der sogenannten „Hammerklaviersonate“ schon ein bisschen anders aus. Sie erfordert beides: den Virtuosen und den Poeten. Der Komponist selbst wusste, wie exorbitant schwer das Werk ist, als er seinen Verleger warnte: „Da haben Sie eine Sonate, die den Pianisten zu schaffen machen wird, die man in fünfzig Jahren spielen wird.“ Beethoven wird mit dieser Aussage nicht allein die technischen Hürden gemeint haben, die es beim Aufstieg auf diesen Achttausender in dieser Gattungslandschaft zu bewältigen gilt, sondern auch die intellektuellen und emotionalen Herausforderungen.

Perfekte Technik

Murray Perahia, der im vergangenen Jahr siebzig Jahre alt wurde, geht in seiner gerade bei der Deutschen Grammophon erschienenen Einspielung des Werks aufs Ganze. Selbst wenn er die von Beethoven für den ersten Satz geforderte Metronomangabe von 136 Schlägen knapp unterschreitet, trifft er den vom Komponisten intendierten Ausdruck auf souveräne Weise. Als Hörer wird man von dieser Leidenschaft, in der dieser Satz vorüberfliegt, vollkommen ergriffen und absorbiert. Seine perfekte Technik nutzt Perahia freilich nicht nur für die Rasanz, sondern auch für die klare Strukturiertheit seines Spiels, für rhythmische Präzision und Durchhörbarkeit des komplexen Beethoven'schen Klaviersatzes. In der finalen Fuge klingt in seiner Interpretation erstaunlich unangestrengt.

Poetisches Zentrum des sämtliche Konventionen sprengenden Werks ist allerdings das Adagio, ein Satz, dessen Länge den Eindruck vermittelt, man habe es mit einem Klavierauszug eines sinfonischen Bruckner-Adagios zu tun. Der Pianist Michael Korstick hat das Adagio einmal auf fast 29 intensive, spannungsgeladene Minuten gedehnt, ein Extrem, das Perahias Sache nicht ist. Er spielt den Satz in etwas mehr als 16 Minuten, ist damit Pianisten Alfred Brendel oder Rudolf Serkin näher. Aber auch Perahia gelingt es hier, die überirdische Schönheit der Musik zum Erblühen zu bringen. Er phrasiert jede Stimme wunderbar aus, singt regelrecht am Klavier.

Als zweites Stück erklingt auf Perahias Beethoven-Album die frühere Sonata quasi una fantasia op. 27,2 in cis Moll, die unter dem Namen „Mondscheinsonate“ berühmt wurde. Auch hier wird man Ohrenzeuge einer Interpretation von erlesener Kostbarkeit.

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