Kabarett in der Oper Entschleunigte Scherze

Bonn · "Quatsch keine Oper" startet in die neue Saison: Hagen Rether macht Comedy für Fortgeschrittene, Oliver Steller für die ganze Familie

 Tiefenentspannt: Hagen Rether bei seinem Auftritt in der Reihe „Quatsch keine Oper“.

Tiefenentspannt: Hagen Rether bei seinem Auftritt in der Reihe „Quatsch keine Oper“.

Foto: Thomas Kölsch

Wenn er nur könnte, wie er wollte. Keine Werbung mehr im Kinderfernsehen, das die Bälger ohnehin kaum sehen würden, weil sie in Horden um die Häuser ziehen und das analoge Leben genießen würden, so lange es geht; keine Wachstumsversprechen und Wachstumsdrohungen mehr, ebenso wenig wie dauerhafter Leistungsdruck, stattdessen Entspannung und Entschleunigung und die Rente mit 90 (zumindest für alle, die das wollen). „Das alles und noch viel mehr würd' ich machen, wenn ich König von Deutschland wär'“, hat Rio Reiser vor 30 Jahren gesungen – ein Gedanke, der derzeit auch bei Hagen Rether beständig mitschwingt.

In der nunmehr sechsten Auflage seines Dauerprogramms „Liebe“ deckt der Kabarettist in der Bonner Oper scharfsinnig und scharfzüngig die zentralen Probleme der Gesellschaft auf, blickt hinter das Augenscheinliche und auf die dahinterliegende Wahrheit, die so viele verdrängen, weil sie unbequem ist und vor allem ungeheuer komplex.

Keine Frage, als Analytiker ist Hagen Rether schon länger hervorragend, zumindest wenn er sich nicht, wie vor allem bei der Religion, von Vorurteilen leiten lässt und allein aus purem Reflex gegen Papst Franziskus zu wettern scheint. Als Kritiker der Wohlstandsgesellschaft macht ihm auf jeden Fall keiner etwas vor: Geschickt skizziert er den Zustand eines Volkes, das seine kollektive Moral unter einem Berg von Konsum, Gier und Angst begraben hat und sich zugleich über den Sittenverfall echauffiert.

So plaudert Rether über Gott und die Welt, von einem Gedanken scheinbar wahllos zum nächsten springend und dabei wie immer lässig in seinem Drehstuhl vor dem Flügel sitzend, den er irgendwann zu polieren und schließlich zu spielen beginnt. Dass diverse Pointen schon länger durch sein Programm schwirren, ist nicht weiter schlimm, im Gegensatz zu den gelegentlichen Abstürzen im Niveau. Der Weg nach oben dann umso mühsamer.

Auf der Bühne brodelt es. Walle walle, Wasser fließe. Die beiden Besen, die Rezitator, Sänger und Zauberlehrling Oliver Steller gemäß des Goetheschen Gedichts zum Leben erweckt hat und hinter denen die beiden jungen Syrer Silar und Dschan stecken, sind überaus fleißig. Hier eine kleine Wanne voll Wasser, da ein paar magische Zutaten, und schon blubbert es aus allen möglichen Behältnissen, erwachsen dank der Unterstützung des Vereins „Abenteuer Lernen“ Schaumkronen und Nebelschwaden.

Aus dramaturgischer Sicht ist das Spektakel der Höhepunkt der einstündigen Nachmittagsvorstellung, mit der die von Rita Baus veranstaltete Reihe „Quatsch keine Oper“ in ihre neue Spielzeit startet. Die Kinder, die mit dieser Show erstmals angesprochen werden und die gleich in Scharen gekommen sind, zeigen sich denn auch vom „Zauberlehrling“ begeistert. Mit dem Kinderprogramm nur wenige Stunden vor dem Auftritt von Hagen Rether hat Rita Baus ein Experiment gewagt – und offensichtlich gewonnen. Steller kommt an, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen.

Am größten ist die Freude, wenn der Frechener seine Gitarre Frieda in den Arm nimmt und das Publikum zum Mitsingen animiert. Etwa beim Rollmops-Blues, bei dem sogar zwischen Jungen, Mädchen und Erwachsenen ein kleiner Wettkampf entsteht. Geht aber unentschieden aus, alle machen es super.

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