Glosse England am Abgrund

Bonn · Künstler sind wie hoch entwickelte Seismografen. Sie registrieren Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge früher und genauer als du und ich. Ihnen entgeht keine Nuance und kein Detail, Differenzierung ist ihre Stärke. Allerdings nicht immer.

 Besorgt: Die schottische Autorin Alison Louise Kennedy.

Besorgt: Die schottische Autorin Alison Louise Kennedy.

Foto: picture alliance / dpa

Der sogenannte Brexit, die Herauslösung des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, hat die kulturelle Elite Großbritanniens getroffen wie ein harter linker Haken.

Sie taumelt und entwickelt Untergangsgefühle und Endzeitvisionen. Das gilt auch für die ausländischen Kulturschaffenden im Land. Martin Roth, Direktor des Victoria & Albert Museum in London, stellte fest: „Es sind beunruhigende Zeiten für das Vereinigte Königreich, für Europa und natürlich für mich persönlich – einen Deutschen, der ein Londoner Museum leitet, mit Mitarbeitern und Besuchern aus der ganzen Welt.“

Die schottische Autorin A. L. Kennedy geht noch einen Schritt weiter. Sie sieht Großbritannien am Abgrund, sagte sie in einem Interview. Ihre größte Liebe, neben dem Ehemann, sei Schottland, aber: „Ich liebe England auch, es bricht mir das Herz, den Untergang des Landes zu erleben.“ Kennedys deprimierendes Fazit: „Es brennt an allen Ecken und Enden.“ Glaubt man der Autorin, könnten wir es demnächst mit einer ganz neuen Flüchtlingswelle zu tun bekommen: „Wir sehen jetzt schon, dass viele Engländer darüber nachdenken, nach Irland oder Schottland zu emigrieren, weil sie dort Vorfahren hatten und die Staatsbürgerschaft erlangen können. Es kommen schwere Zeiten auf das Land zu.“

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