Peter Doherty in der Live Music Hall Ekstase statt Exegese

Köln · Unsaubere Technik gehört dazu: Peter Doherty und Band spielten vor begeistertem Publikum in der Kölner Live Music Hall. Zur Abwechslung ließ er das Publikum nicht lange warten.

 Die Authentizität stimmt: Peter Doherty im Kölner Konzert.

Die Authentizität stimmt: Peter Doherty im Kölner Konzert.

Foto: Thomas Brill

Das Warten auf den Auftritt gehört definitiv nicht zu den angenehmen Dingen eines Konzertbesuchs. Bei Auftritten von Peter Doherty kann das Warten zu einer Tortur für seine Anhänger werden. Lange übel genommen wurden ihm diese Eskapaden von seinen Fans aber meist nicht, ist Doherty mit seinen öffentlich zur Schau gestellten Drogenexzessen immerhin so etwas wie das letzte Urgestein des „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“-Zeitalters. Das zeigte er nun auch bei seinem Auftritt in der Live Music Hall in Köln.

Anders als noch vor wenigen Tagen in Frankfurt ließ Doherty seine Kölner Anhänger nicht lange warten. Eine halbe Stunde nach Plan steht er – mit aufgedunsenem Gesicht, im verlotterten weißen Hemd und dunklen Jackett – plötzlich auf der Bühne und legt nach kurzem Intro fulminant und voller Spielfreude mit seiner fünfköpfigen Band mit „I Don't Love Anyone (But You're Not Just Anyone)“ von seinem zweiten Soloalbum „Hamburg Demonstrations“ los. Und diese Spielfreude, gepaart mit der typisch schnoddrigen „Ihr könnt mich alle mal“-Pose, halten Doherty und seine Kollegen über die folgenden gut zwei Stunden aufrecht.

Dies war jedoch nicht mit spielerischer Finesse gleichzusetzen. Denn technisch sauber klang da fast nichts, was aus den Boxen der Live Music Hall drang. Und das lag definitiv nicht nur an dem eher mittelprächtigen Sound der Location, sondern maßgeblich eben auch an den Protagonisten auf der Bühne. Mitunter klang das Zusammenspiel der Musiker kaum besser als bei einer Schülerband. Aber dieses Unsaubere gehört bei Doherty nun einmal von Beginn an dazu. Das gefeierte Genie schimmert oft nur unter einer dicken Dreckschicht hervor und will durch Ekstase und nicht durch Exegese freigelegt werden.

Das zeigte sich schon in den ersten drei Vierteln der Show, die von den eher akustisch geprägten Stücken der beiden Soloalben bestimmt wurden, wie auch im schrammeligen Schlusspart. Zu Babyshambles' „Fuck Forever“ oder „Don’t Look Back Into The Sun“ von The Libertines flogen dann auch die Bierbecher durch die Luft.

Vielleicht gelingt es Doherty ja tatsächlich, eine noch lange Karriere zu haben, die stets die Aura des Kaputten, des ständigen „Club 27“-Kandidaten mit sich trägt. Solange die Authentizität stimmt und er sich nicht komplett zerstört, ist dagegen nichts einzuwenden. Auch wenn – oder gerade weil – das auch noch die einen oder anderen Eskapaden mit sich bringen wird. Der Rock ’n’ Roll lebt immer noch in Doherty.

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