Lesung von Christoph Ransmayr Eine Stimme und ein Ohr

Christoph Ransmayr las in der Redoute aus seinem Roman „Cox oder Der Lauf der Zeit“. Das Publikum war hingerissen.

 Sonore Stimme mit leicht wienerischer Färbung: Christoph Ransmayr. FOTO: DPA

Sonore Stimme mit leicht wienerischer Färbung: Christoph Ransmayr. FOTO: DPA

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Erzählen bedarf nicht mehr als einer Stimme und eines Ohrs“, sagte Christoph Ransmayr bei seiner Lesung im Beethovensaal der Redoute. „Ich will Ihnen hier also meine Geschichte wirklich nahebringen, mit dem Zauber des Gelesenen, des Gehörten“, fuhr der 62-jährige Beststellerautor fort. Und dann war es auch seine sonore Stimme mit der leicht wienerischen Färbung, die den kurfürstlichen Ballsaal einen Abend lang in einen chinesischen Pavillon verwandelte. Indem sie die wahnwitzige Geschichte eines englischen Uhrmachers im China des 18. Jahrhunderts erzählte: Wie sich eben dieser Alister Cox nach einer Reise um die halbe Welt damit konfrontiert sieht, die unerfüllbaren Wünsche des Gottkaisers Qianlong zu stillen. Wie der Fremdling damit um sein Leben und das seiner Mannschaft kämpft.

„Cox oder Der Lauf der Zeit“ heißt der neue Roman Ransmayrs, aus dem er in der Redoute aus den ersten Kapiteln las. Ach, was heißt, er las? Er rezitierte so gut wie auswendig, ließ das Knistern der Angst im Spitzelstaat des Kaisers ebenso spüren wie das Schmerzgebrüll der 27 korrupten Steuerbeamten, denen der Despot bei der Ankunft des englischen Seglers vor Festpublikum die Nasen abschneiden ließ.

Ransmayr beschleunigte den Leserhythmus, um alsbald einzuhalten, ja zu flüstern. Dieser in der Verbotenen Stadt auf dem Seil taumelnde Uhrmacher und sein Gegenpol, der Diktator, das dürre einsame Männlein, schienen hinter den allegorischen Statuen des Redoutensaals hervorzulugen. Ransmayrs gut 200-köpfige Fangemeinde zeigte sich restlos angetan.

Wie er denn in seiner Wiener Schreibwerkstatt auf einen so exotischen Stoff gekommen sei, wollte Parkbuchhandlungs-Chefin Barbara Ter-Nedden für den einladenden Verein Lese-Kultur Godesberg wissen. Er sei vor Jahren auf der Durchreise in Peking in einen Ausstellungspavillon geraten, der nichts als die unzähligen Uhren des historischen Kaisers zeigte, berichtete Ransmayr. Und ein riesiges astronomisches Uhrenexemplar habe das Schildchen „Made by James Cox, London“ getragen.

Der Kaiser hatte sich damals also englische Uhren kommen lassen. „Da habe ich beschlossen, den Fehler der Geschichte zu korrigieren und diese beiden Männer fiktional wirklich zusammenzubringen“, so Ransmayr. Also einen, der Intervalle in sekundengenaue, mechanische Schritte umzusetzen imstande war, und einen, der sich selbst als „Herr der 10 000 Jahre“, also als Herr der Zeit, anreden ließ. Beide habe er in die von ihm erzählte Zeit „reingeschraubt“. Um letztlich zu zeigen, „dass für uns jede Sekunde absolut kostbar und unwiederbringlich bleibt.“

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