Schlagzeuger Manu Katché Eine Befreiung

Manu Katché hat die Musikgrößen der Welt unterstützt. Jetzt geht er eigene Wege. Und kommt Anfang Oktober auch für ein Gastspiel nach Bonn.

 Kleiner Mann, riesengroßer Musiker: Der Franzose Manu Katché hinter seinem Schlagzeug.

Kleiner Mann, riesengroßer Musiker: Der Franzose Manu Katché hinter seinem Schlagzeug.

Foto: picture alliance / dpa

Er trägt Mütze. Wie immer. Er ist viel zarter und kleiner, als er auf der Bühne hinter seinen Trommeln und Becken wirkt. Wir treffen den französischen Schlagzeuger Manu Katché in einem kleinen Büro der Agentur Q-rious Music im belgischen Viertel von Köln. Es ist bezeichnend für den bescheidenen Musiker, das Treffen nicht wie andere seiner Kollegen in einer repräsentativen Suite eines Hotels zu vereinbaren.

Dabei ist Katché einer der bekanntesten unbekannten Stars der Musikszene. Kaum ein Star aus der Rock- und Popwelt, der Wert auf guten Sound und intelligente Zusammenarbeit legt, mochte in den vergangenen drei Dekaden auf Katchés Unterstützung als Schlagzeuger und Percussionist verzichten. Peter Gabriel, Sting, Joni Mitchell, Jeff Beck, Tears For Fears, Joe Satriani, Al Di Meola, Jan Garbarek: Die Liste ist lang.

Was den 57-jährigen Franzosen mit afrikanischen Wurzeln als Musiker ausmacht, ist seine authentische Fähigkeit zur Empathie, sich hineinzudenken in die Musik. Er ist nicht einfach Schlagwerker, er ist ein sensibler, kluger und verständiger Künstler.

Peter Gabriel, so heißt es, hat er mit seinen Ideen aus der Klemme geholfen. Gabriel arbeitete gerade am Album "So" und an dem Song "Sledgehammer". Irgendwas wollte einfach nicht funktionieren. Katché kam und siegte: Nach drei Anläufen war der Song aufgenommen - und wurde zu einem der größten Erfolge Gabriels. Manu Katché gehört bis heute zur Stammband des britischen Musikers.

In der Zwischenzeit hat er auf mehr als 300 Alben gewirkt - von Tori Amos, Dire Straits, den Eurhythmics, Herbie Hancock und vielen anderen. Und er hat seine Liebe zu unterschiedlichen Stilen in einer Reihe im Kulturfernsehen Arte ausspielen können: Da hat er von 2007 bis 2011 in der Sendung "One Shot Not" etliche Musiker zusammengebracht und mit ihnen gejammt.

Selbst hat er in den vergangenen zehn Jahren gerade mal fünf Alben unter eigenem Namen veröffentlicht. Auch wenn die ersten Arbeiten bei den renommierten Jazzlabels ECM und Act erschienen - richtig glücklich ist er erst mit seinem aktuellen Album "Unstatic". Es klingt tatsächlich anders als die vorherigen.

Es hat eine ganz andere Grundstimmung; cooler, leichtfüßiger, lockerer. Manchmal funky, bisschen Latin. Songs wie "Ride MeUp" klingen nach Fusion der 1970er Jahre. Und es steckt viel Seele drin. "Soulfood", nennt das Katché. Da sind Melodien, die sofort ins Ohr gehen, wie etwa bei "Daze Days" und "Rolling".

"Genau darum geht's", sagt Katché. Er spricht akzentuiert, kann seine Gedanken klar in Worte fassen. Wir reden lange über Rhythmus, wie er arbeitet, wie er komponiert. Das Erstaunliche: Der Rhythmus, Drums und Percussion, kommen bei ihm erst ganz am Schluss. "Ich komponiere immer am Piano", erzählt er.Die Melodie steht am Anfang, Harmonien spielen die Hauptrolle.

"In einem sehr kleinen Teil meiner Gedanken höre ich den Rhythmus dazu. Er ist ja da. Irgendwo. Es geht ja mehr um eine Klarheit, um einen Puls als um einen ordentlichen Takt. Und wenn das alles steht, nehme ich mir den Bass vor. Aber nicht als Gimmick, sondern als Fundament. Ich schreibe dann häufig die Noten für die Bläser - nur um die Harmonien zu erkennen. Wenn ich das alles habe, dann kommt für mich der Rhythmus. Wenn ich dann die Drums spiele, dann orientiere ich mich mehr an der Melodie als am Groove. Der Groove ist der Puls!", erklärt er.

Und das ist das Geheimnis seines Erfolgs. Der Groove, das Spiel mit Trommeln und Percussionsmitteln, sind für ihn keine reinen Taktinstrumente. Wenn Katché spielt, dann spielt er Melodie. In seinem musikalischen Denken gibt es keine Taktzahlen. Und so fühlt sich sein aktuelles Album gegenüber den vorherigen völlig befreit an. Und genauso fühlt er sich auch.

Was ist inzwischen geschehen? "Ich werde alt", sagt Katché lachend. "Nein, wirklich. Es ist ein Reifeprozess. Als ich 2005 “Neighbourhood„ gemacht habe, da kam ich aus der Rockindustrie und wollte nichts anderes, als einfach mal meine eigene Musik aufnehmen. Das war natürlich ein Risiko - und eine Herausforderung für mich. Und dann noch auf Manfred Eicher zuzugehen, der ja eine große Ikone des Jazz ist!"

Er sei zuvor nicht in der Lage gewesen, den Soul in sich zu äußern, erzählt Manu Katché. Dafür hat er vier Alben gebraucht. "Ich habe ja 35 Jahre als Sideman gearbeitet. Da kann man nicht sofort auf Bandleader umschalten. Ich bin eben ein Spätentwickler", witzelt er. Aber das Wichtigste sei ja nicht die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern der Prozess.

"Deshalb ist mein aktuelles Album auch so wichtig. Nicht nur, weil ich es bei meinem eigenen Label herausgebracht habe. Sondern, weil die Drums den Raum bekommen, den ich ihnen zugestehe. Der Raum für die Drums ist die Marke, und die Marke ist der Sound! Die Beschaffenheit, die ich nachvollziehen kann. Und das gilt für den Sound der ganzen Band! Er inspiriert mich, weil er voller Soul ist. Solch ein Entwicklungsprozess ist wichtig, sonst fühlst du dich niemals befreit!"

Manu Katché beklagt sich aber nicht über die Vergangenheit. "Was ich erreicht habe mit ECM und Act, ist ja ein Teil von mir. Das war auch durchaus etwas Intimes. Aber ich fühle jetzt meine Seele, die du in der Musik hören kannst, und damit fühle ich mich befreit. Und ich weiß jetzt, wohin ich will."

Sein neues Projekt, das Album "Unstatic", stellt Manu Katché erstmals live in Bonn im Rahmen des aktuellen Beethovenfestes am 6. Oktober (20 Uhr) in der Beethovenhalle vor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort