Beethovenfest 2017 Ein Thriller mit donnernden Oktaven

Bonn · Klavierabend im Beethoven-Haus: Der Hamburger Pianist Alexander Krichel ist ein Poet und ein Virtuose mit perfekter Technik.

 Perfektionist am Klavier: Alexander Krichel.

Perfektionist am Klavier: Alexander Krichel.

Foto: © Henning Ross Fotografie

Dem noch jungen Pianisten Alexander Krichel hat der frühere Intendant des Beethovenfests, Franz Willnauer, einen hübschen Lorbeerkranz geflochten. Über vier bedruckte Programmheftseiten porträtiert er den 1989 in Hamburg geborenen Musiker, wobei kein Superlativ zu hoch gegriffen scheint. „So treten Sieger auf“, schreibt er über den jungen Musiker, den er für das größte deutsche Klaviertalent in der Generation der 20-30-Jährigen hält. Am Dienstagabend war Krichel auf Einladung des Beethovenfests im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses zu Gast, wo er vor ausverkaufter Kulisse in der Tat einen bemerkenswerten Klavierabend gab – mit einem eigentlich ganz unspektakulären Beginn: Als Einstieg hatte er die Klaviersonate in A-Dur D 644 des 22-jährigen Franz Schubert ausgewählt.

In dieser Sonate ist alles Gesang, was Krichel im ersten Satz mit seinem entspannt kantablen Spiel äußerst gefühlvoll hörbar machte. Vollends gefangen aber nahm der langsame Satz, in dem der junge Schubert auf unvergleichliche Weise einer romantisch-melancholischen Sehnsucht Ausdruck verleiht, die Krichel herzergreifend auszudeuten verstand. Dass er Melodien am Klavier zu „singen“ versteht, zeigte der Pianist auch in der Liszt'schen Liedbearbeitung von Schuberts „Ständchen“ (Leise flehen meine Lieder). In Liszts Soloklavier-Arrangement des Schubert'schen „Erlkönig“ ist weniger der Sänger als der Virtuose gefragt, der die grausige Szene aus Goethes Ballade mit allen Mitteln der Klavierkunst vor dem inneren Auge des Hörers entstehen lässt. Das gelang Krichel mit rasenden Oktavrepetitionen und einer dynamischen Steigerung ganz ausgezeichnet. Schubert schrieb seinen „Erlkönig“ im Jahre 1815 mit 18 Jahren. Ein Jahr bevor Ludwig van Beethoven seinen Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ beendete, der ebenfalls in einer Klavierfassung von Liszt auf dem Programm stand. In seiner Interpretation achtete Krichel penibel darauf, in diesen „Liedern ohne Worte“ Beethoven und Liszt immer in der Balance zu halten.

„Es gab noch kein Stück, das ich technisch nicht spielen konnte“, hat Krichel mal in einem Interview gesagt. Und wenn man hört, wie er am Ende des Klavierabends Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ spielte, glaubt man ihm aufs Wort. In seiner kleinen Einführung hob er selbst die immense technische Anforderungen des Werks hervor. Ein Blick in die Noten lässt jeden Amateur-Pianisten und auch viele Profis vor Ehrfurcht erblassen. Krichel aber spielte nicht nur den oft auf drei Systeme verteilten Notentext technisch blitzsauber und souverän, sondern evozierte am Klavier auch wirkungsvoll die schaurigen Szenen, die Aloyius Bertrand in seinen Gedichtvorlagen beschreibt. Sowohl die virtuosen Wasserspiele aus „Ondine“ als auch das permanent vor den Ohren des Hörers baumelnde „Memento mori“ in „Le gibet“ (Der Galgen), eine schwarze Meditation über einen Ton mit komplexen Akkordfolgen im dreifachen Pianissimo. Den Kobold „Scarbo“ schließlich, den Ravel mit rhythmischen Eruptionen, Akkordtrillern und wilden Sprüngen zeichnet, ließ Krichel pianistisch perfekt und überaus plastisch erstehen. Dem begeisterten Applaus ließ er zwei Zugaben folgen, Ravels „Une barque sur l'océan“ und die hübsche Eigenkomposition „Lullaby“.

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